Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
und durchquerte dann mit zwei Schritten den Raum. Er bückte sich, riß dem Sergeant den Dolch aus dem Gürtel und zog ihn fest über seine fette Kehle, genau über der ledernen Halsbinde. Blut spritzte wie Gischt auf Bonnets Hemd und sprühte gegen die Wand.
    »So«, sagte er und richtete sich auf. »Jetzt lebt er nicht mehr. Laßt ihn.«
    Er ließ den Dolch fallen, schob sie zur Seite und sprang mit einem Satz hinaus in den Korridor. Sie konnte hören, wie sich seine Schritte entfernten, schnell und schallend auf dem Backstein.
    Der Schock der Aktion und Reaktion ließ sie am ganzen Leib erzittern, und sie stand eine Sekunde lang still, während sie auf John Greys Körper hinabstarrte. Trauer erfaßte sie, und ihr Bauch ballte sich fest zusammen. Sie fühlte keinen Schmerz, doch jede Faser in ihr hatte sich zusammengezogen; ihr Bauch wölbte sich vor, als hätte sie einen Basketball verschluckt. Sie fühlte sich atemlos, zu keiner Bewegung fähig.
    Nein , dachte sie eindeutig an das Kind in ihr gerichtet. Ich habe
keine Wehen, absolut, ganz bestimmt nicht. Ich lasse es nicht zu. Bleib, wo du bist. Ich habe jetzt keine Zeit.
    Sie trat zwei Schritte in den Korridor hinaus, dann blieb sie stehen. Nein, sie mußte zumindest nachsehen, sichergehen. Sie drehte sich zurück und kniete sich neben John Greys Körper. Er hatte tot ausgesehen, als sie ihn anfangs dort liegen gesehen hatte, und das war immer noch so; er hatte sich weder bewegt noch auch nur gezuckt, seit sie seinen Körper entdeckt hatte.
    Sie beugte sich vor, konnte aber kaum über ihren Kugelbauch hinüberreichen. Sie ergriff seinen Arm und zog an ihm, versuchte, ihn umzudrehen. Er war zwar ein kleiner, feinknochiger Mann, doch er war trotzdem schwer. Sein Körper kippte nach oben, rollte schlaff mit baumelndem Kopf auf sie zu, und ihr sank erneut das Herz, als sie seine halb geschlossenen Augen und seinen offenstehenden Mund sah. Doch sie griff unter seine Kinnlade und suchte hektisch nach einer Pulsstelle.
    Wo zum Teufel war es? Sie hatte schon öfter gesehen, wie ihre Mutter das in Notfällen machte; schneller zu finden als ein Puls im Handgelenk, hatte sie gesagt. Sie konnte keinen finden. Wie lange noch, wie lange würden die Lunten brennen?
    Sie wischte sich mit einer Falte ihres Umhangs über ihr klammes Gesicht und versuchte nachzudenken. Sie blickte hinter sich und schätzte die Entfernung zur Treppe ab. Himmel, konnte sie es riskieren, selbst wenn sie es allein tat? Die Vorstellung, in dem Moment oben im Lagerhaus aufzutauchen, wenn dort alles in die Luft ging - Sie warf einen Blick nach oben, bückte sich dann über ihre Aufgabe und versuchte es noch einmal. Sie drückte seinen Kopf weit nach hinten. Sie konnte die verdammte Vene unter seiner Haut sehen - da mußte der Puls doch sein, oder?
    Einen Augenblick lang war sie sich nicht sicher, ob sie ihn spürte; es hätte einfach nur das Hämmern ihres eigenen Herzens sein können, das in ihren Fingerspitzen schlug. Doch nein, es war - ein anderer Rhythmus, schwach und flatternd. Er mochte fast tot sein, aber nicht ganz.
    »Knapp vorbei«, murmelte sie, »ist auch daneben.« Sie hatte zu viel Angst, um übermäßig erleichtert zu sein; jetzt mußte sie ihn hinausschaffen. Sie kämpfte sich hoch und langte hinunter, um seine Arme zu ergreifen und ihn hinter sich herzuziehen. Doch dann hielt sie inne, denn die Erinnerung an etwas, das sie kurz zuvor gesehen hatte, durchdrang ihre Panik.
    Sie wandte sich um und schleppte sich hastig in die Zelle zurück.
Ohne das rot durchtränkte Bündel auf dem Boden anzusehen, schnappte sie nach der Laterne und trug sie in den Korridor zurück. Sie hielt sie hoch und erleuchtete die niedrige Backsteindecke. Ja, sie hatte recht gehabt!
    Die Ziegel schwangen sich in gewölbten Buhnen empor und formten Arkaden auf beiden Seiten der Korridore. Alkoven und Zellen, Lagerraum. Über diesen Buhnen verliefen solide, zwanzig Zentimeter dicke Kiefernbalken. Darüber dicke Planken - und über den Planken eine Lage aus Ziegeln, die den Boden des Lagerhauses bildete.
    Hochgehen wie eine Bombe , hatte Bonnet gesagt, aber hatte er recht? Terpentin war brennbar, Pech ebenfalls; ja, es würde wahrscheinlich explodieren, wenn es unter Druck in Brand geriet, aber nicht wie eine Bombe, nein. Lunten. Lunten im Plural. Lange Lunten offenbar, und wahrscheinlich führten sie zu kleinen Schießpulverdepots, das war der einzige Sprengstoff, den Murchison haben konnte; es gab noch keine

Weitere Kostenlose Bücher