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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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bin.«
    Sie trat schnell einen Schritt zurück und schwang ihm aus reinem Abwehrmechanismus heraus die Laterne an den Kopf. Er duckte sich mit einem Aufschrei, und ein eiserner Griff umklammerte ihr Handgelenk, bevor sie die Laterne erneut gegen ihn schleudern konnte.

    »Himmel, das war knapp! Du bist schnell, Mädchen, wenn auch nicht ganz so schnell wie der gute Sergeant.« Bonnet nahm ihr die Laterne ab und ließ ihr Handgelenk los.
    »Ihr seid überhaupt nicht angekettet«, sagte sie überflüssigerweise und starrte ihn an. Dann holte ihr Verstand auf, und sie wirbelte herum und stürzte zur Tür. Murchison schob seine Muskete vor sie und versperrte ihr den Weg, doch nicht, bevor sie den dunklen Korridor vor der Tür gesehen hatte - und die schwach erleuchtete Gestalt, die draußen mit dem Gesicht nach unten auf den Ziegeln ausgebreitet lag.
    »Ihr habt ihn umgebracht«, flüsterte sie. Ihre Lippen waren taub vor Schreck, und eine Furcht, die tiefer ging als die Übelkeit, fuhr ihr in die Knochen. »Oh, Gott. Ihr habt ihn umgebracht.«
    »Wen umgebracht?« Bonnet hielt die Laterne hoch und blickte auf das buttergelbe, hingegossene Haar, das mit Blut befleckt war. »Wer zum Teufel ist das?«
    »Eine Vorwitznase«, schnappte Murchison. »Beeilung, Mann! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich hab’ mich um Hodgepile gekümmert, und die Lunten brennen.«
    »Wartet!« Bonnet blickte stirnrunzelnd von Murchison zu Brianna.
    »Wir haben keine Zeit, habe ich gesagt.« Der Sergeant hob seine Muskete und überprüfte die Zündung. »Keine Sorge, niemand wird sie finden.«
    Brianna konnte den Schwefelgeruch des Schießpulvers in der Zündung riechen. Der Sergeant hob den Gewehrschaft an seine Schulter und wandte sich ihr zu, doch es war zu eng; ihr Bauch war im Weg, und er hatte keinen Platz, um den langen Lauf zu heben.
    Der Sergeant grunzte verärgert, drehte das Gewehr um und erhob es, um sie mit dem Kolben niederzuknüppeln.
    Ihre Hand umklammerte den Lauf, bevor ihr klar war, daß sie danach gegriffen hatte. Alles schien sich sehr langsam zu bewegen, während Murchison und Bonnet erstarrt dastanden. Sie selbst fühlte sich völlig abwesend, so als stünde sie als Zuschauerin daneben.
    Sie pflückte Murchison die Muskete aus der Hand, als wäre sie ein Strohhalm, ließ sie hochschwingen und dann herabsausen. Die Vibration des Rückstoßes übertrug sich durch ihre Arme in ihren Körper, und ihr ganzer Körper war plötzlich geladen, als hätte jemand einen Schalter herumgeworfen und einen weißglühenden Stromstoß durch sie pulsieren lassen.
    Sie sah ganz deutlich das Gesicht des Mannes mit herunterhängender Kinnlade vor sich in der Luft hängen, sah, wie sein Blick vor
Erstaunen über Grauen in bewußtlose Stumpfheit überging, so langsam, daß sie die Veränderung verfolgen konnte. Hatte Zeit, um die kräftigen Farben in seinem Gesicht zu sehen. Eine dunkelrote Lippe verfing sich in einem gelben Zahn, halb zu einem verächtlichen Grinsen hochgezogen. Winzige Blüten in leuchtendem Rot, die sich in einem eleganten Bogen auf seiner Schläfe entfalteten, japanische Wasserblumen, die auf dem Feld einer frischen, blauen Prellung erblühten.
    Sie war völlig ruhig, nicht mehr als ein Kanal für jene Urenergie, die die Männer Mütterlichkeit nennen, weil sie ihre zärtliche Seite mit Schwäche verwechseln. Sie sah ihre eigenen Hände, ihre nackten Knöchel, ihre vorstehenden Sehnen, spürte, wie die Kraft an ihren Beinen hoch- und zurücklief, durch Handgelenke und Arme und Schultern, holte wieder Schwung, so langsam, es kam ihr so langsam vor, und doch fiel der Mann immer noch, hatte den Boden immer noch nicht ganz erreicht, als der Gewehrkolben erneut zuschlug.
    Eine Stimme rief ihren Namen. Dumpf durchdrang sie das kristallene Summen, das sie umgab.
    »Aufhören, in Gottes Namen! Mensch - Brianna - aufhören!«
    Es waren Hände auf ihren Schultern, zerrten an ihr, schüttelten sie. Sie entwand sich ihrem Griff und drehte sich um, das Gewehr immer noch in der Hand.
    »Rührt mich nicht an«, sagte sie, und er trat schnell einen Schritt zurück, die Augen voller Überraschung und Argwohn - und vielleicht einem Hauch von Furcht? Angst vor ihr? Warum sollte jemand Angst vor ihr haben? dachte sie dumpf. Er sagte etwas; sie sah, wie sich sein Mund bewegte, doch sie konnte den Sinn der Worte nicht erfassen, sie waren nur Lärm. Der Strom in ihr ließ nach, und ihr wurde schwindelig.
    Dann paßte die Zeit sich der

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