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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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das könnte ich.« Er öffnete beide Augen und sah sie lächelnd an. »Eigentlich hatte ich den Eindruck, daß ich genau das seit einiger Zeit tue.«
    Einen Augenblick lang machte sie ein verständnisloses Gesicht, bevor eine hellrote Flut aus dem runden Halsausschnitt ihres Mieders aufstieg. Sie war bezaubernd, wenn sie rot wurde.
    »Du meinst mich? Na ja, gut, aber - ich meine - ich bin kein Baby, und du mußt mich nicht an Kindes statt annehmen.« Sie warf ihm einen direkten, blauen Blick zu, der im Kontrast zu der noch nicht
ganz abgeflauten Röte ihrer Wangen stand. »Und ich hatte gehofft, daß es nicht alles nur wegen meines Vaters war.«
    Er schwieg einen Augenblick, dann streckte er die Hand aus und drückte die ihre.
    »Nein, das war es nicht«, sagte er schroff. Er ließ sie los und lehnte sich leise stöhnend zurück.
    »Geht es dir wieder schlechter?« fragte sie besorgt. »Soll ich dir etwas holen? Tee? Einen Umschlag?
    »Nein, es sind nur die verdammten Kopfschmerzen«, sagte er. »Im Licht fangen sie an zu pochen.« Er schloß die Augen wieder.
    »Sag mir«, sagte er, ohne sie zu öffnen, »warum du so fest davon überzeugt zu sein scheinst, daß einem Mann nur dann etwas an einem Kind liegen kann, wenn es die Frucht seiner Lenden ist. Zufällig hatte ich nämlich nicht dich gemeint, als ich sagte, daß ich selbst so etwas getan habe. Mein Sohn - mein Stiefsohn - ist in Wirklichkeit der Sohn der Schwester meiner verstorbenen Frau. Durch einen tragischen Zufall starben seine Eltern beide innerhalb eines Tages, und meine Frau Isobel und ihre Eltern haben ihn von klein an aufgezogen. Ich habe Isobel geheiratet, als Willie ungefähr sechs war. Du siehst also, wir sind nicht blutsverwandt - und doch würde ich jeden auf der Stelle herausfordern, der meine Zuneigung zu ihm anzweifeln oder behaupten würde, daß er nicht mein Sohn ist.«
    »Ich verstehe«, sagte sie kurz darauf. »Das wußte ich nicht.« Er öffnete ein Auge einen Spaltbreit; sie drehte immer noch an seinem Ring und machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Ich glaube…«, begann sie und sah ihn an. »Ich glaube, ich mache mir weniger wegen des Babys Gedanken um Roger. Wenn ich ehrlich bin -«
    »Der Himmel möge verhüten, daß du etwas anderes bist«, murmelte er.
    »Wenn ich ehrlich bin«, sagte sie und funkelte ihn an, »sorge ich mich, glaube ich, mehr darum, wie es zwischen uns wäre - zwischen Roger und mir.« Sie zögerte, dann gab sie sich einen Stoß.
    »Ich wußte nicht, daß Jamie Fraser mein Vater ist«, sagte sie. »Während meiner ganzen Kindheit nicht. Nach dem Aufstand wurden meine Eltern getrennt; jeder von ihnen dachte, der andere wäre tot. Also hat meine Mutter wieder geheiratet. Ich habe gedacht, Frank Randall wäre mein Vater. Ich habe erst nach seinem Tod vom Gegenteil erfahren.«
    »Ah.« Er betrachtete sie mit verstärktem Interesse. »Und ist dieser Randall grausam zu dir gewesen?«

    »Nein! Er war… wunderbar.« Ihre Stimme überschlug sich leicht, und sie räusperte sich verlegen. »Nein. Er war der beste Vater, den ich hätte haben können. Es ist nur, daß ich dachte, meine Eltern würden eine gute Ehe führen. Sie haben sich geliebt, sie haben sich respektiert, sie - na ja, ich dachte, alles wäre in bester Ordnung.«
    Lord John kratzte an seinem Verband. Der Arzt hatte ihm den Kopf rasiert, ein Zustand, der nicht nur ein Affront gegen seine Eitelkeit war, sondern auch teuflisch juckte.
    »Ich kann das Problem nicht erkennen, was deine gegenwärtige Situation angeht.«
    Sie seufzte ausgiebig.
    »Dann ist mein Vater gestorben und… wir haben herausgefunden, daß Jamie Fraser noch lebte. Meine Mutter ist zu ihm gegangen, und dann bin ich nachgekommen. Und… es war anders. Ich habe gesehen, wie sie sich angesehen haben. Ich habe nicht ein einziges Mal gesehen, daß sie Frank Randall so angeblickt hätte… oder er sie.«
    »Ah, ja.« Ein kurzer Anflug von Trostlosigkeit durchfuhr ihn. Auch er hatte diesen Blick ein paarmal gesehen; beim ersten Mal hätte er Claire Randall schrecklich gern ein Messer ins Herz gestoßen.
    »Weißt du, wie selten so etwas ist?« fragte er leise. »Diese Art von wechselseitiger Leidenschaft?« Die einseitige Art kam ja häufig genug vor.
    »Ja.« Sie hatte sich halb umgedreht, den Arm über die Rückenlehne des Sessels gelegt, und blickte durch die Glastür auf die knospende Weite der frühlingshaften Blumenbeete hinunter.
    »Die Sache ist - ich glaube, ich hatte sie«, sagte sie

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