Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Vorsicht eines Mannes, der
sich einer scharfen Bombe nähert, legte er einen Arm um ihre Taille und zog sie langsam durch das Zimmer. Da sie beide so groß waren, hörte es sich wirklich an, als führte jemand ein Pferd herum.
    »In Ordnung?« hörte ich ihn bei einer Runde besorgt fragen.
    »Ich sag’s dir, wenn’s nicht so ist«, versicherte sie ihm.
    Es war warm für Mitte Mai; ich machte die Fenster weit auf, und die Düfte von Phlox und Akelei strömten herein, vermischt mit der kühlen, feuchten Luft vom Fluß.
    Das Haus war von einer erwartungsvollen Stimmung erfüllt: Vorfreude, mit einem Hauch von Furcht unterlegt. Jocasta ging unten auf der Terrasse auf und ab, zu nervös zum Stillsitzen. Betty steckte alle paar Minuten den Kopf herein, um zu fragen, ob wir etwas brauchten; Phaedre kam mit einem Krug frischer Buttermilch aus der Vorratskammer herauf, für den Fall des Falles. Brianna, deren Blick nach innen gerichtet war, schüttelte nur den Kopf; ich selbst trank ein Glas, während ich im Geiste die Vorbereitungen durchging.
    Tatsache war, daß es nicht besonders viel gab, das man bei einer normalen Geburt tun mußte, und nicht besonders viel, das man tun konnte, wenn sie anders verlief. Das Bett war abgezogen und mit alten Bettdecken belegt, um die Matratze zu schützen; ich hatte einen Haufen sauberer Tücher zur Hand und eine Kanne heißes Wasser, das etwa jede halbe Stunde aus dem Kupferkessel in der Küche erneuert wurde. Kühles Wasser zum Trinken und zum Abwischen der Stirn; ein kleines Fläschen mit Öl zur Massage, mein Nähwerkzeug, für den Fall des Falles - und darüber hinaus lag alles bei Brianna.
    Nachdem sie fast eine Stunde herumgelaufen war, blieb sie plötzlich mitten im Zimmer stehen, packte Jamies Arm und atmete durch die Nase wie ein Pferd am Ende eines langen Rennens.
    »Ich will mich hinlegen«, sagte sie.
    Phaedre und ich zogen ihr das Kleid aus und beförderten sie im Hemd heil auf das Bett. Ich legte meine Hände auf die riesige Kugel ihres Bauches und staunte über die schiere Unmöglichkeit dessen, was sich bereits getan hatte und was noch kommen würde.
    Die Verhärtung der Kontraktion flaute ab, und ich konnte die Umrisse des Kindes unter der dünnen, gummiartigen Hülle aus Haut und Muskeln deutlich spüren. Es war groß, das konnte ich erkennen, doch es schien gut zu liegen, mit dem Kopf nach unten und voll eingestellt.
    Normalerweise verhielten sich Babies ziemlich still, wenn sie im Begriff waren, geboren zu werden, eingeschüchtert durch den Aufruhr in ihrer Umgebung. Dieses hier regte sich; ich spürte einen leichten, deutlichen Ruck gegen meine Hand, als sein Ellbogen vorstach.

    »Papa!« Brianna streckte blind die Hand aus und schlug um sich, als sie von einer Kontraktion überrascht wurde. Jamie tat einen Satz nach vorn, fing ihre Hand auf und drückte sie fest.
    »Ich bin hier, a bheanachd , ich bin hier.«
    Sie atmete schwer, das Gesicht hochrot, dann entspannte sie sich und schluckte.
    »Wie lange noch?« fragte sie. Sie hatte mir das Gesicht zugewandt, blickte mich aber nicht an; sie sah die Außenwelt überhaupt nicht.
    »Ich weiß es nicht. Aber nicht mehr sehr lange, glaube ich.« Die Kontraktionen lagen etwa fünf Minuten auseinander, doch ich wußte, daß sie noch ewig so weitergehen oder ganz plötzlich beschleunigen konnten; es war einfach nicht zu sagen.
    Eine leichte Brise wehte vom Fenster herüber, doch sie schwitzte. Ich wischte ihr noch einmal das Gesicht und den Hals ab und massierte ihr die Schultern.
    »Du machst das wunderbar, Schatz«, murmelte ich ihr zu. »Ganz prima.« Ich blickte zu Jamie hoch und lächelte. »Du auch.«
    Er versuchte tapfer, das Lächeln zu erwidern; er schwitzte ebenfalls, doch sein Gesicht war weiß, nicht rot.
    »Sprich mit mir, Pa«, sagte sie plötzlich.
    »Och?« Er sah mich gehetzt an. »Was soll ich denn sagen?«
    »Es spielt keine Rolle«, sagte ich. »Erzähl ihr Geschichten; irgend etwas, das sie ablenkt.«
    »Oh. Äh… hast du schon die Geschichte von… Habetrot, der Spinnerin gehört?«
    Brianna antwortete mit einem Grunzen. Jamie sah besorgt aus, begann aber trotzdem.
    »Aye, gut. Es war einmal ein Bauernhaus am Fluß, darin lebte ein hübsches Mädchen namens Maisie. Sie hatte rotes Haar und blaue Augen und war das schönste Mädchen im ganzen Tal. Aber sie hatte keinen Ehemann, denn…« Er hielt erschrocken inne. Ich funkelte ihn an.
    Er hustete und erzählte weiter, weil er offenbar nicht wußte, was

Weitere Kostenlose Bücher