Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
unglaublicher Kraft in einem dünnen Strom herausspritzte. Bevor das Kind
anfangen konnte zu jammern, legte sie es wieder an, allerdings nicht, bevor Roger nicht mit winzigen Tropfen besprüht worden war, warm und dann plötzlich kühl auf der Haut seiner Brust.
    »Mein Gott«, sagte er halb schockiert. »Ich wußte nicht, daß es das gibt! Das ist ja wie eine Wasserpistole.«
    »Ich auch nicht.« Sie lächelte erneut, und ihre Hand umfaßte den winzigen Kopf. Dann verblich das Lächeln. »Es gibt eine Menge Dinge, die ich mir nicht vorgestellt hätte, bevor sie mir passiert sind.«
    »Brianna.« Er beugte sich vor und vergaß seine Nacktheit in dem Bedürfnis, sie zu berühren. »Brianna, ich weiß, daß du Angst hast. Ich auch. Brianna, ich will nicht, daß du vor mir Angst hast - aber Brianna, ich will dich so sehr.«
    Seine Hand ruhte auf der Rundung ihres Knies. Einen Moment später senkte sich ihre Hand auf die seine, so leicht wie ein Vogel bei der Landung.
    »Ich will dich auch«, flüsterte sie. Erstarrt saßen sie eine Weile da, die ihm sehr lange vorkam; er hatte keine Ahnung, was er als nächstes tun sollte, nur, daß er nicht zu schnell vorgehen, ihr keine Angst einjagen durfte. Sei vorsichtig.
    Die leisen Sauggeräusche waren verstummt, und das Bündel in ihrer Armbeuge war erschlafft und schwer geworden.
    »Er schläft«, flüsterte sie. Mit vorsichtigen Bewegungen, als hielte sie ein Fläschchen Nitroglyzerin, rutschte sie an die Bettkante und stand auf.
    Vielleicht hatte sie vorgehabt, das Kind in seine Wiege zu legen, doch Roger hob instinktiv die Hände. Sie zögerte nur eine Sekunde, dann bückte sie sich, um ihm das Kind in die Arme zu legen. Ihre Brüste hingen voll und schwer im Schatten ihres offenen Nachthemdes, und er roch den durchdringenden Moschusgeruch ihres Körpers, als sie ihn streifte.
    Das Baby war überraschend schwer; ein ziemliches Gewicht für ein Bündel dieser Größe. Es war auch erstaunlich warm; noch wärmer als der Körper seiner Mutter.
    Roger faßte vorsichtig unter den winzigen Körper und kuschelte ihn an sich; die winzigen runden Pobacken hatten in seiner Handfläche Platz. Es - er - war doch nicht ganz kahl. Der ganze Kopf war mit einem weichen, rotblonden Flaum bedeckt. Winzige Ohren. Beinahe durchsichtig; dasjenige, welches er sehen konnte, war rot und zerdrückt, weil es an den Arm seiner Mutter gepreßt gewesen war.
    »Man kann es ihm nicht ansehen.« Briannas Stimme riß ihn aus
seinen Gedanken. »Ich hab’s versucht.« Sie stand am anderen Ende des Zimmers und hatte eine Schublade der Anrichte herausgezogen. Er glaubte, daß vielleicht Bedauern in ihrem Gesichtsausdruck lag, doch die Schatten waren zu tief, um es genau zu sagen.
    »Danach hatte ich gar nicht gesucht.« Er ließ das Baby vorsichtig auf seinen Schoß sinken. »Es ist nur - das ist das erste Mal, daß ich mir meinen Sohn richtig ansehen kann.« Die Worte klangen merkwürdig und fühlten sich sperrig auf seiner Zunge an. Doch sie entspannte sich ein wenig.
    »Oh. Tja, es ist alles dran.« Es lag ein leiser Unterton des Stolzes in ihrer Stimme, der ihn im Herzen traf und ihn genauer hinsehen ließ. Die kleinen Fäuste waren so fest wie Schneckenhäuser zusammengerollt; er ergriff eine davon und streichelte sie sanft mit dem Daumen. Langsam wie die Schwimmbewegungen eines Tintenfisches öffnete sich die Hand so weit, daß er die Spitze seines Zeigefingers hineinschieben konnte. Die Faust schloß sich automatisch wieder, und ihr Griff war erstaunlich kraftvoll.
    Er konnte ein rhythmisches Wisch an der anderen Wand hören und erkannte, daß sie sich die Haare bürstete. Er hätte ihr gerne zugesehen, doch er war zu fasziniert, um aufzublicken.
    Der Körper hatte Füße wie ein Frosch; breit an der Zehenseite, schmal an der Ferse. Roger streichelte den einen mit der Fingerspitze und lächelte, als die winzigen Zehen weit auseinandersprangen. Immerhin keine Schwimmhäute.
    Mein Sohn, dachte er und war sich nicht sicher, was er bei dem Gedanken empfand. Es würde eine Weile dauern, sich daran zu gewöhnen.
    Aber es könnte sein, kam ihm der nächste Gedanke. Nicht nur Briannas Kind, das er um ihretwillen lieben wollte - sondern sein eigenes Fleisch und Blut. Dieser Gedanke war noch befremdlicher. Er versuchte, ihn zu verdrängen, doch er kehrte immer wieder. Jene Paarung in der Dunkelheit, jene bittersüße Mischung aus Schmerz und Glück - hatte er dies begonnen, damals?
    Er hatte es nicht vorgehabt -

Weitere Kostenlose Bücher