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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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alles ruhig blieb, in die Große Halle. Ein weißer Mond warf sein ätherisches Licht auf den prächtig geschmückten Körper des Sachsen und verlieh ihm ein marmornes Aussehen. Grimhild war zu Füßen ihres toten Mannes vor Erschöpfung eingeschlafen, nachdem sie die halbe Nacht nach Wodan geschrien und Sigfrids Rückgabe verlangt hatte. Mit unbewegtem Gesicht betrachtete Brünhild die verquollenen Augen der Fränkin. Es war nicht gut, soviel zu jammern! Es ließ einen Toten nicht zur Ruhe kommen. Jede Träne, die man um ihn weinte, fiel ihm nass und kalt auf die Brust und beschwerte ihn.
    Zögernd wandte sich Brünhild dem steifen Körper auf der Bahre zu. Gewaschen und vom Blut gesäubert, geschmückt, in seiner besten Kleidung sah er beinahe aus, als ob er schliefe. Nach wie vor lag dieses unerklärliche Lächeln auf seinen Zügen. Brünhild horchte in sich hinein und war überrascht, dort keinen Widerhall von Zorn oder Frohlocken zu finden. Warum blieb das Gefühl des Triumphes aus? Warum blieb ihr die Befriedigung, ihre Ehre wiederhergestellt zu wissen, versagt? Nichts dergleichen erfüllte ihre Seele. Nur eine große Müdigkeit.
    Die Fragen nach dem Warum hatten nicht aufgehört, sie zu quälen. Noch immer wollte sie den Grund für seinen Verrat verstehen. Er war ihr die Antwort schuldig geblieben. Und jetzt, da er sich nicht mehr verteidigen konnte, würden ihre Fragen auf ewig unbeantwortet bleiben. Während sie ihn ansah, begriff sie, dass sie seinen Tod nicht gewollt hatte. Und sie erkannte plötzlich, dass sie nicht gekommen war, um sich an ihrem Triumph zu weiden oder ihn mit Hass zu überhäufen, sondern um von ihm Abschied zu nehmen.
    Sie erinnerte sich an den einen glücklichen Tag, der ihnen vergönnt gewesen war. An seine Zärtlichkeiten, sein unwiderstehliches Lachen, seine Streitbarkeit. Langsam ließ die Anspannung der vergangenen Jahre nach. Es war vorbei.
    Ein Letztes blieb ihr noch zu tun. Sie beugte sich über den Toten, ergriff seinen Arm und fand, wonach sie suchte. Es war nicht leicht, das Schmuckstück über Sigfrids erstarrtes Handgelenk zu streifen. Zunächst schien der Ring sich zu weigern, zu ihr zurückzukehren, aber dann änderte er offenbar von einem Moment zum anderen seine Meinung und löste sich mit einem Ruck. Brünhild hielt Andvaranaut in die Höhe. Das Unterpfand unserer Liebe , hatte Sigfrid gesagt. Sie wiederholte seine Worte in Gedanken und streifte den Ring über. Im ersten Moment kühl und feindselig, begann er rasch zu glühen.
    Brünhild warf einen letzten Blick auf den Toten, den der Mond in einen überirdischen Glanz hüllte. Bald , dachte sie.
    Bald , bestätigte der Ring.
4
    Ein gellender Schrei zerriss die Stille und strafte das Bild nächtlicher Idylle Lügen. Hagen, auf dem Weg zu seiner Kammer, gab einen gequälten Laut von sich. Seit zwei Nächten zehrte Grimhilds Totenklage an den Nerven der Burgbewohner. Von kurzen Erschöpfungspausen abgesehen, hatte sie während dieser Zeit ununterbrochen Wodans Namen geschrien. Und wie es aussah, schien sie fest entschlossen, auch diese Nacht nicht damit aufzuhören.
    Müde öffnete Hagen die Tür. Ein Geruch nach Laub und Erde schlug ihm entgegen. Er hatte schon das Schwert gezogen, als er seinen Besucher erkannte. Eine tiefe Falte bildete sich zwischen seinen Brauen. »Wie kommst du hier herein?«
    »Guten Abend, Bruder!«, erwiderte Andvari. Er kreuzte nicht die Arme zum Gruß, sondern verwendete stattdessen die Beschwichtigungsgeste und legte die Finger zu einem Dach zusammen.
    Hagen steckte sein Schwert wieder ein. »Guten Abend, Halb bruder!«
    »Immer noch die alten Vorbehalte?«
    Hagen warf seinen Schwertgürtel auf den Tisch und schenkte sich Wein ein.
    »Du siehst mitgenommen aus, Hagu!«
    »Ich will nicht, dass du mich so anredest.«
    »Was hast du gegen deinen Namen?«
    »Es ist nicht mein Name. Ich bin keiner von euch.«
    Andvari gähnte. »Es ist kindisch, gegen sein megin anzukämpfen.«
    Der Waffenmeister würdigte ihn keiner Antwort. Er legte sein Wolfsfell ab und ließ sich auf der Bank gegenüber nieder.
    Der Schwarzalbe seufzte. »Na schön, wenn es dir gefällt   – Hagen ! Was macht dein Auge? Schmerzt es?«
    »Nur, wenn ich einen Schwarzalben sehe.«
    Andvari deutete auf Hagens Gürteltasche. »Ich bin froh zu sehen, dass die Pilze alt sind«, sagte er. »Du bist lange kein Mannwolf mehr gewesen.«
    »Ich mag es nicht, wenn du in meiner Kammer herumspionierst.«
    Andvari zeigte sein Bedauern auf

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