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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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den Vater seiner Frau zu schonen. Wenn es ihm gelang, ihn kampfunfähig zu machen, gab es vielleicht einen Ausweg! Rodinger bemerkte seine Absicht, und es schien ihn in noch größere Wildheit zu versetzen. Immer wütender hieb er auf den Niflungen ein, der Mühe hatte, die Schläge abzuwehren. Schon lange war keine Rede mehr davon, selbst anzugreifen, Gislher konnte froh sein, wenn ihm die Verteidigung gelang. Vergebens versuchte er, sich der Lektionen zu erinnern, die Hagen ihm über die Jahre hinweg eingebläut hatte. All seine Kampferfahrung war wie weggeblasen.
    Ein Regen roter Funken stob aus seinem Helm, als Rodingers Klinge ihn streifte. Ein direkter Treffer hätte ihm den Schädel gespalten. Gislher hörte Mimung singen, und Angst stahl sich in sein Herz, denn man sagte, wer den Blutgesang des Schwertes hörte, der sei dem Tode verfallen. Die blitzende Klinge schwang von links nach rechts, von oben nach unten, hin und her, sie tanzte einen tödlichen Tanz, dem er nicht mit den Augen zu folgen vermochte. Bald tauchte das Schwert unerwartet an seinem Arm auf und fügte ihm eine Stichwunde zu, bald hinterließ es eine blutige Spur auf seiner Brust. Gislher fühlte sich so ohnmächtig wie noch nie.
    In seiner Panik fing er an, Fehler zu machen. Mimung biss nach seiner Hüfte. Gislher schützte sich mit dem Schild und führte gleichzeitig einen halbherzigen Hieb aus, den Rodinger abblockte. Wieder schnappte Mimes Schwert nach seiner Hüfte, und der stete Rhythmus versetzte ihn in eine Art Trance. Schlag   – Senken des Schildes   – Schlag   – Senken des Schildes. Mit einem Ruck stieg Mimung empor, um ihm den Schädel zu spalten. Beinahe zu spät riss Gislher den Schild hoch. Für einen Augenblick nahm er sich selbst die Sicht und hatte das seltsame Gefühl, diese Situation schon einmal durchlebt zu haben. Finte in einer Finte, dachte er, und kaltes Entsetzen erfüllte ihn, als er sich seines ungeschützten Bauches bewusst wurde. In Todesangst stieß er zu, blind und ungezielt. Zu spät entdeckte er, dass Rodinger seinen Fehler nicht ausnutzte, zu spät sah er, dass der erfahrene Krieger Mimungs Blutdurst ignorierte und das wütend schreiende Schwert mit der Kraft seines Willens zurückhielt, den tödlichen Stoß erwartend. Gislhers Klinge glitt durch seinen Körper, zerteilte Fleisch, Knochen, Sehnen und unterbrach den Lebensfluss. Hastig zog der Niflunge sein Schwert zurück, als könne er die Tat dadurch ungeschehen machen, blankes Entsetzen in den Augen. »Warum habt Ihr meinen Fehler nicht genutzt?«, schrie er.
    Wie durch ein Wunder stand Rodinger noch immer aufrecht und hob das Schwert. Gislher erwartete einen tödlichen Hieb. Doch Rodinger ergriff Mimung bei der Schneide und reichte es dem Bräutigam seiner Tochter mit dem Griff voran. Dann stürzte er leblos vornüber.
3
    Ansgar machte seinem Zorn in einer Kampfpause Luft, indem er gegen die Mauer trat. In der Schlacht, auf offenem Feld war er ein tapferer Mann, aber in diesem Garten eingesperrt zu sein, zehrte an seinen Nerven. »Es muss doch eine Möglichkeit geben, aus dieser Rattenfalle rauszukommen!«, brüllte er. »Über die Mauer, und dann drauf auf sie!«
    Seit die Angreifer zurückgedrängt worden waren, hatte eine zermürbende Warterei begonnen. Die gegnerischen Heere belauerten sich gegenseitig, verhielten sich jedoch ansonsten ruhig. Das Nichtstun machte die Niflungen nervös. Hoffnungsvoll blickten sie immer wieder zu ihrem König hinüber. Sie vertrauten seinem Heil. Mochte er daheim auch zaudern und zagen   – hier, in der Schlacht, hatte er sich als kühner Anführer erwiesen.
    Das Vertrauen seiner Männer belastete Gunter. Und doch fing er langsam selbst an zu glauben, dass er noch Heil besaß. Eine Art von megin regte sich in ihm, geboren aus Verzweiflung. »Nicht hinüber   – hindurch müssen wir!«, sagte er. »Ich habe die gesamte Mauer untersucht, an der Westseite ist sie brüchig. Es gibt Risse und Sprünge, und einige Steine sind herausgebrochen. Wenn wir Tische und Bänke als Rammböcke benutzen, müsste es uns gelingen, die Mauer dort zum Einsturz zu bringen. Sind wir erst einmal draußen, kann uns keine noch so große Übermacht aufhalten.«
    Die Krieger jubelten. Zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes schöpften sie wieder Hoffnung. Mit Feuereifer machten sie sich daran, Essensreste und Trinkhörner von den Tischen zu fegen. Brüllend stürmten sie dann gegen die Westmauer an. Unermüdlich ließen sie die schweren

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