Der Ruf Der Walkueren
bedingungslos, weil sie zu erkennen gab, was sie mochte, weil sie sich ihrer eigenen Unsicherheit nicht schämte, weil sie sich ihm öffnete.
Es tat kaum weh, als er in sie drang. Brünhild war überrascht, weil ihre Mutter ihr oft von den Schmerzen beim ersten Mal erzählt hatte. Aber sie wollte diesen Jüngling, von dem sie nicht einmal den Namen kannte, mehr als alles andere auf der Welt, und sie zeigte es ihm, indem sie sich bereitwillig seinen unbeholfenen Stößen hingab und seine Leidenschaft durch Küsse und Zärtlichkeiten herausforderte. Sie flüsterte ihm zu, was sie erregte, und allein der lustvolle Klang ihrer Stimme, wenn sie ihn bat, sie hier zu streicheln oder dort sanfter zu sein, machte ihn toll. Er erfüllte ihre Wünsche nur allzu gern.
Brünhild war hin- und hergerissen zwischen Furcht und Verlangen. Noch keinem Menschen hatte sie gestattet, ihr so nahe zu kommen. Nackt und verletzbar zu sein, bar jeden Schutzes, machte ihr Angst, gleichzeitig gab ihr sein Unvermögen, auch nur den kleinsten Rest Kontrolle über sich zu behalten, ein unglaubliches Machtgefühl. War es so, wenn man liebte? Dass man sich einander auslieferte ohne Wenn und Aber? Und dadurch stärker wurde statt schwächer? Sie wollte, dass er tat, wonach ihm am meisten verlangte, ja, sie forderte ihn geradezu heraus. Obwohl die Bewegungen eines Mannes in ihrem Körper ungewohnt, bisweilen sogar unangenehm waren, konnte sie von dem wundervollen Durcheinander an Gefühlen, die er in ihr auslöste, nicht genug bekommen.
Jeder von Brünhilds unsicheren Beckenstößen verursachte süße Lust in seinem Inneren und brachte Sigfrid den Wonnen der Ekstase einen Schritt näher. Es musste ásmegin sein, was er fühlte, und er wollte dieses Gefühl bis in alle Ewigkeit festhalten. Aber sein Körper nahm keine Rücksicht darauf, was er wollte. Sigfrid wusste noch nicht, wie schnell die Wollust ihn übermannen konnte, und dass es einen Punkt ohne Umkehr gab, und so traf ihn Wodans Ekstase vollkommen unvorbereitet. Er ächzte auf, erzitterte und krallte sich in ihr fest – er wollte doch nicht, noch nicht! –, aber er konnte die Flut nicht aufhalten. Sein megin ergoss sich blitzartig in sie und verband sich mit ihrem.
Brünhild spürte, wie er sich ihr öffnete und sein megin freigab, und wurde von Tränen überwältigt. Nicht länger bestanden sie aus zwei verschiedenen Personen, sie waren von einer Seele. Ihren Tränen stand Sigfrid hilflos gegenüber, und weil er nicht wusste, was er tun sollte, hielt er sie fest. Er hatte das Gefühl, versagt zu haben, und dann wieder doch nicht, weil sie in seinen Armen Schutz suchte und ihm immer noch vertraute, und dann war auch das gleichgültig, weil da nichts war außer reinem, purem Glück.
Der Liebesrausch wich und machte Ernüchterung Platz. Brünhild verfluchte sich für ihre Schwäche. Warum nur hatte sie sich nicht beherrscht? Schließlich war sie keine Unfreie, die es sich leisten konnte, sich der Laune eines Augenblicks hinzugeben. Ihre Mutter hatte sie vor den verborgenen Leidenschaften der Männer gewarnt, die sie zu einem schwachen Weib machen würden, wenn sie nicht achtgab. Aber sie hatte vergessen, ihr vom unwiderstehlichen Lächeln dieser Männer zu erzählen und vom Zauber ihrer Hände und Lippen. Und sie hatte auch vergessen, ihr von den verborgenen Leidenschaften der Frauen zu erzählen, von jenem mächtigen Verlangen, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es in sich trug.
Sigfrid beobachtete sie besorgt. Da sie nichts sagte, wusste er nicht, ob sie glücklich war oder ihm grollte, ob es ihr gefallen hatte oder sie ihn auslachte. Sein megin war fort und hatte nichts als Leere zurückgelassen. Er begriff jetzt, warum Wodan auch der Gott der Toten hieß. Ekstase war wie sterben.
Sie strich über seine hornige Haut, die sich wie die Borke eines Baumes anfühlte. Und doch konnte sie darunter seine Weichheit und Verletzbarkeit spüren. Anfangs war es unangenehm gewesen, aber inzwischen liebte sie diese Rauheit. Und er war wirklich überall hürnen! Bei dem Gedanken musste sie kichern.
»Was ist?«
»Nichts, ich …« Sie konnte nicht weiterreden, weil sie von einem weiteren Lachanfall geschüttelt wurde.
Sigfrid setzte sich auf. Lachte sie über ihn?
Brünhild begriff, dass er ihr Gelächter missdeuten musste, aber sie war einfach nicht in der Lage aufzuhören. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und unterdrückte das aufsteigende Glucksen eines weiteren
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