Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
dabei zu helfen, die Isabella und ihre Schätze wieder aus der sachlichen Perspektive zu betrachten.
Aber die Nacht blieb unruhig und schien voller Stimmen.
»Tate!«
Sie machte die unangenehme Erfahrung, wie es war, vor Schreck förmlich aus der Haut zu fahren. Sie stieß ihre Tasse um, der lauwarme Tee ergoss sich in ihren Schoß, aber sie hatte immerhin die Geistesgegenwart zu fluchen. Matthew lachte sie aus.
»Du bist doch nicht etwa nervös?«
»Man erwartet in einer solchen Nacht nicht gerade Besucher, und du bist schon der zweite.« Sie stand auf und holte ein Handtuch aus dem Schrank, um den Tee aufzuwischen. »Buck ist oben und versucht, meinen Vater zu einem Kartenspiel zu überreden. Was machst du –«
Zum ersten Mal sah sie ihn richtig an und bemerkte, dass er triefnass war. Sein Hemd und die abgetragenen Jeans klebten ihm am Körper, und Wasser tropfte auf den Boden.
»Du bist hergeschwommen? Hast du den Verstand verloren?« Schimpfend holte sie noch mehr Handtücher. »Um Gottes willen, Lassiter, du hättest ertrinken können!«
»Bin ich aber nicht.« Bereitwillig hielt er still, während sie ihm mit dem Handtuch über das Haar fuhr und ihn anknurrte. »Ich verspürte das unbändige Bedürfnis, dich zu sehen.«
»In deinem Alter solltest du deine Bedürfnisse zu bändigen wissen. Geh in Dads Kabine und hol dir etwas Trockenes zum Anziehen!«
»Mir geht es gut.« Er nahm das Handtuch, legte es ihr um
den Nacken und zog sie daran näher zu sich heran. »Du hast doch nicht etwa gedacht, so ein kleiner Sturm könnte mich davon abhalten, unsere Verabredung einzuhalten?«
»Ich habe irrtümlicherweise angenommen, dass bei dir die Vernunft über die Lust siegen würde.«
»Falsch.« Sein Lippen kräuselten sich, als sie auf ihre trafen. »Gegen einen Drink hätte ich nichts einzuwenden. Habt ihr Whiskey?«
Sie seufzte. »Brandy.«
»Der tut es zur Not auch.«
»Leg ein Handtuch auf die Bank, bevor du dich hinsetzt«, befahl sie. Kurz darauf kehrte sie mit der Flasche und einem Glas aus der Kombüse zurück. »Hast du LaRue allein auf der Mermaid gelassen?«
»Er ist erwachsen. Außerdem hat der Sturm schon nachgelassen.« Er nahm den Brandy und hielt Tates Hand fest. »Willst du dich nicht auf meinen Schoß setzen?«
»Nein, besten Dank. Du bist nass.«
Grinsend zog er sie zu sich herunter und kuschelte sich an sie. »Jetzt sind wir beide nass.«
Tate lachte, überrascht, wie einfach es war, ihm nachzugeben. »Ich sollte wohl die Tatsache in Betracht ziehen, dass du Leib und Leben für mich riskiert hast. Also gut …« Sie legte eine Hand an sein Gesicht, presste ihre Lippen auf seine und ergab sich seinem Kuss. »Wird dir schon wärmer?«
»Könnte man sagen. Hey, komm wieder her«, murmelte er, als sie den Kopf hob.
Eine Weile später legte er seinen Kopf zufrieden an ihre Schulter und lächelte. Tate spielte mit der Silberscheibe an der Kette um seinen Hals.
»Von der Mermaid aus habe ich Licht brennen sehen. Bei dem Gedanken, dass du hier an Bord bist und arbeitest, hätte ich niemals einschlafen können.«
Sie genoss es, entspannt auf seinem Schoß zu sitzen, und seufzte. »Ich glaube nicht, dass heute Nacht überhaupt
jemand Schlaf findet. Jedenfalls bin ich froh, dass du hergekommen bist.«
»Tatsächlich?« Seine Hand legte sich auf ihre Brust.
»Nein, nicht deshalb. Ich wollte … hmm.« Ihr Verstand setzte umgehend aus, sobald sein Daumen ihre Brustwarze unter dem feuchten Hemd berührte. »Warum schaltest du nicht den Laptop ab, Rotschopf? Wir schließen uns in deiner Kabine ein, und ich zeige dir, wie man einen Sturm auf See übersteht.«
»Da bin ich mir sicher.« Die Vorstellung, gemeinsam in ihrer Koje das Ende des Sturms abzuwarten, war verführerisch. »Ich muss mit dir reden, Matthew.« Sie bog den Kopf zurück, damit sein Mund besser an ihre Kehle kam. Doch dann verlagerte sie ihr Gewicht und stand auf. »Wir müssen reden.« Entschlossen, die Prioritäten nicht außer Acht zu lassen, atmete Tate tief durch und zog ihr Hemd zurecht.
»Ich denke, ich nehme auch einen Brandy.« Das würde ihr eine Minute geben, um sich zu sammeln. In sicherer Distanz goss sie ein zweites Glas ein. »Matthew, ich mache mir Sorgen um Buck.«
»Er kommt langsam wieder ins Lot.«
»Du meinst, dass er nicht trinkt. Natürlich ist das positiv und sehr wichtig, auch wenn er es dir zuliebe und nicht um seiner selbst willen tut.«
»Wovon redest du?«
»Nimm die Scheuklappen ab.«
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