Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
kleine Fenster. »Muss ich denn vollkommen sein, damit du mich akzeptierst, Matthew? Darf ich keine Schwächen zeigen?«
»Jedenfalls darfst du deine Familie und Partner nicht hintergehen.«
»Du bist wirklich dumm, wenn du glaubst, dass ich dazu fähig bin! Aber in einem Punkt hast du Recht: Ich habe verzweifelt versucht, VanDyke zu erreichen, um ihm zu sagen, dass ich das Amulett gefunden habe. Ich hatte gehofft, dass ich ihn irgendwo treffen könnte, um es ihm zu übergeben.«
»Schläfst du mit ihm?«
Diese Frage war so absurd, kam so unerwartet, dass Tate fast gelacht hätte. »Ich habe VanDyke seit acht Jahren nicht gesehen, nicht mit ihm gesprochen und erst recht nicht mit ihm geschlafen.«
Was hat sie sich dabei nur gedacht? fragte er sich. »Und doch bestand deine erste Reaktion darin, dich mit ihm in Verbindung zu setzen.«
»Nein, meine erste Reaktion bestand darin, mir darüber Gedanken zu machen, was du ihm antun könntest, wenn du es hättest.« Tate schloss die Augen und spürte die sanfte Brise, die durch das Fenster wehte. »Oder noch schlimmer, was er dir antun könnte. Und ich geriet in Panik. Ich habe sogar darüber nachgedacht, es wieder ins Wasser zu werfen und so zu tun, als ob ich es nie gefunden hätte, aber das wäre auch keine Lösung gewesen. So glaubte ich schließlich, wenn ich es VanDyke gäbe, ihn einfach bäte, mir zu schwören, dass er dich in Ruhe lässt, würde das alle Probleme lösen. Mir war bis dahin nicht klar, dass ich dich immer noch liebe«, sagte sie und starrte auf das unruhige Wasser. »Und als es mir bewusst wurde, erschreckte mich das ebenfalls. Diese Art von Gefühlen wollte ich nicht für dich empfinden – dabei weiß ich genau, dass ich so nie für einen anderen Menschen fühlen könnte.«
Erleichtert, weil ihre Augen wieder trocken waren, zwang sie sich, ihn anzusehen. »Man könnte wohl sagen, dass ich dein Leben retten wollte, indem ich das tat, was für dich am besten ist. Das dürfte dir doch irgendwie bekannt vorkommen. Aber es war dumm von mir, dir die Entscheidung aus der Hand nehmen zu wollen, genau wie es damals dumm von dir war, sie mir aus der Hand zu nehmen.«
Sie hob die Hände, ließ sie wieder fallen. »Jetzt weißt du es, und du kannst tun, was du tun willst. Aber ich werde nicht danebenstehen und zusehen.« Sie öffnete die Tür zu ihrem Schrank und griff nach ihrem Koffer.
»Was hast du vor?«
»Ich packe.«
Er nahm ihr den Koffer ab und schleuderte ihn quer durch den Raum. »Glaubst du, dass du mir all das an den Kopf werfen und dich dann einfach aus dem Staub machen kannst?«
»Ja, das glaube ich.« Es ist eigenartig, stellte sie fest, sich auf einmal so ruhig zu fühlen, als ob sie sich durch einen Hurrikan hindurch in die Stille seines Auges vorgekämpft hätte. »Außerdem glaube ich, dass wir beide Zeit brauchen, um das Ganze zu verarbeiten.« Sie wollte an ihm vorbeigehen, um ihren Koffer aufzuheben, und reckte das Kinn, als er ihr den Weg versperrte. »Du erteilst mir keine Befehle mehr.«
»Nun, leider bleibt mir keine andere Wahl…« Um die Sache ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, sperrte er die Kabinentür ab. »Zunächst müssen wir das hier klären.« Er hielt die Kette hoch, sodass Licht auf den Rubin fiel und seine Farben zu explodieren schienen. »Wir alle haben viel in diese Sache investiert, aber mein Einsatz ist der höchste. Wenn ich getan habe, was ich tun muss, kannst du es haben.«
»Vorausgesetzt, du lebst dann noch.«
»Das ist mein Problem.« Er steckte die Kette in die Tasche. »Ich bitte dich um Entschuldigung für das, was ich dir auf der Brücke an den Kopf geworfen habe.«
»Deine Entschuldigung kannst du dir schenken.«
»Trotzdem bitte ich dich um Verzeihung. Ich hätte dir nicht misstrauen dürfen. Vertrauen ist nicht gerade meine starke Seite, aber was dich angeht, hätte ich es wirklich besser wissen müssen. Ich habe dich erschreckt.«
»Allerdings. Wahrscheinlich habe ich es nicht anders verdient. Sagen wir einfach, wir sind quitt.«
»Wir sind noch längst nicht miteinander fertig«, murmelte er und legte, diesmal ganz sanft, eine Hand auf ihren Arm.
»Da hast du vermutlich Recht.«
»Setz dich hin.« Als sie aufblickte, sahen seine Augen sie durchdringend an. »Ich werde dir nicht wehtun, und es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe«, wiederholte er. »Bitte.«
»Ich weiß nicht, was es noch zu sagen gibt, Matthew.« Tate ließ sich dennoch nieder und faltete ihre
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