Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
vielleicht, sehr vielleicht, hatte er den Grundstein für eine neue gelegt.
Am Morgen würde er nach Hatteras aufbrechen.
Wenn auch sonst nichts dabei herauskam, so konnte er wenigstens die Seetauglichkeit der Mermaid testen.
Das Boot war fertig, gestrichen, poliert und getauft.
Zusammen mit LaRue hatte er im Laufe der letzten paar Tage mehrere kurze Probefahrten unternommen. Sie segelte wunderbar.
Matthew lehnte sich angenehm erschöpft zurück. Vielleicht hatte er endlich etwas geleistet, das von Bestand war. Selbst der Name – Meerjungfrau – hatte eine persönliche Bedeutung für ihn, denn er hatte wieder jenen Traum geträumt, den Traum von Tate im tiefen, dunklen Meer. Um ihn zu entschlüsseln, brauchte er Freud nicht zu bemühen. Im Laufe der letzten Wochen hatte er sich oft mit Ray unterhalten. Tates Name war gefallen und der der Isabella, und die Bilder jenes Sommers waren wieder hochgekommen.
Natürlich hatte ihn das nachdenklich gestimmt, hatte es wehmütige Gedanken heraufbeschworen, und so hatte er den Traum noch einmal geträumt.
Tate selbst war nicht mehr als eine angenehme Erinnerung, aber der Traum war so deutlich gewesen, dass Matthew sich dazu veranlasst gefühlt hatte, das Boot nach ihm zu taufen. Und damit auch nach ihr.
Er fragte sich, ob er sie wiedersehen würde, bezweifelte es jedoch. Er entspannte sich langsam und sagte sich, dass es ihm gleichgültig war.
Das Fliegengitter wurde aufgestoßen und fiel wieder ins Schloss. LaRue kam mit Tüten voller Burger und Pommes frites zurück. »Hast du angerufen?«, fragte er.
»Ja. Ich habe Ray gesagt, dass wir morgen früh ablegen.« Matthew hob die Arme über den Kopf, faltete die Hände und streckte sich. »Das Wetter sieht gut aus. Wir dürften nicht mehr als drei oder vier Tage brauchen. Sozusagen die Generalprobe für die Mermaid.«
»Ich freue mich darauf, ihn und seine Frau kennen zu lernen.« LaRue förderte Pappteller zutage. »Hat er dir schon gesagt, was er entdeckt hat?«
»Er will, dass ich es mir persönlich ansehe.« Plötzlich fühlte Matthew sich ausgesprochen hungrig und nahm sich
einen Burger. »Er ist entschlossen, spätestens Mitte April zu den Westindischen Inseln aufzubrechen. Ich habe ihm gesagt, dass wir dabei sind.«
LaRue sah Matthew in die Augen. »Je eher, desto besser.«
»Du bist verrückt, wenn du dorthin zurückkehrst.« Buck kam aus dem Schlafzimmer. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt. »Der Fleck ist verflucht! Die Isabella ist verflucht. Sie hat immerhin deinen Vater das Leben gekostet, oder etwa nicht?« Mit langsamen, bedächtigen Schritten näherte er sich. »Hätte mich fast das Leben gekostet. Wäre wahrscheinlich besser gewesen.«
Matthew streute so viel Salz auf seine Pommes frites, dass LaRue sich ein Stöhnen nicht verkneifen konnte.
»VanDyke hat meinen Vater getötet«, wiederholte er ruhig. »Und ein Hai hat dein Bein abgerissen.«
»Der Grund dafür war der Fluch der Angelique.«
»Vielleicht.« Matthew kaute nachdenklich weiter. »Wenn dem so ist, bin ich der Meinung, dass ich einen rechtmäßigen Anspruch auf das Amulett habe.«
»Das verdammte Ding hat den Lassiters kein Glück gebracht!«
»Dann ist es höchste Zeit, das zu ändern.«
Unsicher legte Buck eine Hand auf den winzigen, mit Linoleum beklebten Tisch. »Vielleicht glaubst du, dass ich mir nur Sorgen um dich mache, weil ich ohne dich nicht zurechtkomme. Aber das ist es nicht. Dein Vater wollte, dass ich auf dich aufpasse, und solange ich konnte, habe ich mein Bestes getan.«
»Ich brauche bereits seit einiger Zeit niemanden mehr, der auf mich aufpasst.«
»Vielleicht nicht. Aber vielleicht habe ich in den letzten Jahren auch versagt, was dich und mich betrifft. Du bist alles, was ich habe, Matthew. Die Wahrheit ist, dass du das Einzige bist, was mir je etwas bedeutet hat.«
Bucks Stimme wurde brüchig, und Matthew schloss die
Augen, um eine neue Welle von Schuldgefühlen abzuwehren. »Ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, für etwas zu bezahlen, das ich nicht verhindern konnte. Oder dir dabei zuzusehen, wie du das Werk beendest, das der Hai begonnen hat.«
»Ich bitte dich nur, hier zu bleiben. Ich habe mir überlegt, dass wir ein Geschäft aufmachen können. Wir fahren Touristen hinaus, Angler oder so.« Buck schluckte mühsam. »Diesmal würde ich meinen Teil der Arbeit übernehmen.«
»Tut mir leid.« Matthew war der Appetit vergangen. Er schob sein Essen beiseite und stand auf. »Ich
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