Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
Die Kreatur war erst vor Kurzem geschaffen worden, sie war nicht stark. Mutmaßungen stürmten auf Beatrix ein. Hatte John seinen Mentor an Asharti verraten, und sie hatte ihn zum Vampir gemacht, anstatt ihn zu töten? Wenn Asharti ihn zum Vampir gemacht hatte … dann musste er ihr dienen.
Und wenn Beatrix ihn spüren konnte, konnte auch er sie spüren. Sie sollte sich sofort zurückziehen. Ein weiterer Gedanke ging ihr durch den Sinn. Entweder war Asharti nach London gekommen und hatte es geschafft zu verhindern, dass Beatrix ihre machtvollen Vibrationen spürte, oder Asharti hatte einen anderen Vampir geschickt, um den zu schaffen, der sich in diesem Haus aufhielt.
Ein Mann, der wahrscheinlich in hohem Maße das Vertrauen von Englands Krone genoss, als Leibeigener Ashartis – die Konsequenzen, die das hatte … Es gab nur einen Weg, dem Schaden vorzubeugen, den er anrichten konnte. Was war hier ihre Pflicht? Sie hatte sich niemals dazu hergegeben, einen von ihresgleichen zu töten …
Beatrix sammelte ihre Macht, voller Furcht vor dem, was sie vielleicht tun musste. Sie durfte nicht zulassen, dass ihr Mut sie verließ. Asharti durfte keinesfalls gewinnen.
Sie materialisierte sich vor einem alten Mann, der sich am Kaminfeuer die Hände wärmte. Er war der Vampir. Er fuhr überrascht herum. »Wer sind Sie?«, fragte sie. Sie wandte ihre Suggestionskraft nicht an. Noch nicht.
»Sir Thomas Barlow«, entgegnete er vorsichtig. »Was wollen Sie hier?«
»Ich komme von ihr.«
Barlow entspannte sich. »Wir sind gut aufgestellt. Die Agenten sind alle tot oder werden es bald sein. Ich habe Informationen über Wellingtons Pläne in Spanien. Bonaparte kann Portugal ganz leicht bekommen, wenn er Soults Truppen zu Masséna schickt, um ihn zu unterstützen. Hier habe ich einen Überblick über Wellingtons Schwachstellen.« Er ging zu seinem Schreibtisch.
»Ich bin neugierig.« Beatrix versuchte, ruhig zu atmen. »Wie konnte sie einen Mann umdrehen, der ein Leben lang der englischen Krone gedient hat?« Sie musste es wissen.
Der Mann zog seine buschigen Augenbrauen hoch. »Der Neffe meiner Haushälterin. Er brachte mich zu ihr, nach Dover. Wir haben uns unterhalten. Dann hat er mich verwandelt und mir sein Blut gegeben, während ich krank war.« Er blickte Beatrix an. Seine Augen hatten in einem einzigen Leben das ganze Ausmaß der verderbten menschlichen Seele gesehen.
Plötzlich wusste Beatrix, dass sie noch eine Sache in Erfahrung bringen musste. »Wie lange ist Ihre Verwandlung her?«
»Sie war am 25. März.« Er sagte es gleichmütig dahin. Aber Beatrix erfüllte es mit Erleichterung. Vor zwei Monaten. Es war nicht John gewesen, der diesen Mann an Asharti verraten hatte. Sie begann zu begreifen. Die Straßenräuber, die Nacht, in der vor ihrem Haus ein Schuss zu hören gewesen war, kurz nachdem John gegangen war … Das Gegenteil war wahr! Barlow hatte versucht, John zu töten. Nicht direkt natürlich, und er hatte auch nicht seine Vampirkräfte angewandt … Er musste sich alle Mühe gegeben haben, diskret vorzugehen. Aber Beatrix war sicher, dass er versucht hatte, John umzubringen. Auch dass er John auf das Gefängnisschiff geschickt hatte, konnte aus dem Antrieb geschehen sein, ihn zu töten. Hatte er auch Dupré umgebracht? John hatte er jedenfalls nicht getötet. Vielleicht hatte er John zu Asharti geschickt, damit sie ihn beseitigte.
Aber warum hätte er das tun sollen? »Sie kann Sie nicht kontrollieren, wenn Sie in London sind und sie in Paris ist. Also müssen Sie ihre Gesinnung teilen.« Würde sie ihn zwingen müssen? Sie konnte es. Er war ein Neuling.
Als er die Schultern zuckte, wusste Beatrix, dass Suggestion nicht nötig war. »Man wird der Dummheit der Regierungsoffiziellen müde. Endlose Diskussionen, gegenseitige Schuldzuweisungen, selbst wenn der Weg klar ist. Sie tun nicht, was zu tun ist. Das bedeutet, dass Napoleon gewinnen wird.« Barlow starrte in den Brandy in seinem Glas, als könnte er daraus die Zukunft lesen. »Zu Lande ist er ein militärisches Genie. Seine Marine formiert sich in einem atemberaubenden Tempo neu. Unsere Schiffe werden im Blockadedienst verschlissen. Wir lassen unsere Seeleute verhungern und unsere neu gebauten Schiffe zerfallen, weil unsere Zulieferer korrupt sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Frankreich die Blockade durchbricht und in England einfällt. Besonders jetzt, da wir ein Schiff in unsere Gewalt bringen und die gesamte Mannschaft ausschalten
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