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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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hinter den Gebäuden um ihn herum. Er hatte nicht bis zum Abend warten wollen, weil er fürchtete, seine Entschlossenheit könnte ihn verlassen, aber er war nicht in der Lage gewesen, auch nur durch ein Fenster ins Tageslicht zu spähen.
    Wie seltsam! Er hatte sich jene armen Seelen, die ihr Leben beenden wollten, immer als so leer und haltlos vorgestellt, dass sie in den Selbstmord trieben. In Wahrheit erforderte es eine schreckliche Willenskraft. Oder vielleicht war das nur so, weil der Impuls zu leben in ihm so stark war. Vielleicht brauchte es einen gleichermaßen starken, wenn auch gegensätzlichen Drang zum Tod, um zu widerstehen. Er war nicht sicher, ob er fähig war, es zu Ende zu bringen. Vielleicht würde das Ding in seinem Blut im letzten Moment gewinnen. Aus diesem Grund war die Guillotine perfekt. Wenn das Beil fiel, gab es kein Zurück mehr.
    Es war ein langer Weg bis zur Place du Trône, wo die Guillotine aufgestellt worden war. Der Lärm der Stadt war wie ein Brüllen in seinem Kopf, die Vielzahl der Gerüche drückte ihm fast die Luft ab. Er hastete die Rue de Rivoli hinunter, eine jener Straßen, die nach einem Sieg Bonapartes benannt worden waren. Die Menschen starrten ihn an und flüsterten miteinander, als er an ihnen vorbeiging. Er schaute zu Boden. Sein Halstuch war verrutscht, sein Hemd zerknittert, sein Mantel saß schlecht und war voller Falten. In seinen Augen musste ein wilder Blick liegen. Er atmete tief durch. Bleib ruhig. Wo ist deine Selbstbeherrschung? Er zupfte sein Halstuch einigermaßen zurecht und ging langsamer.
    Er erreichte die Place de la Bastille, den Mittelpunkt eines halben Dutzends Straßen. Einst hatte die Guillotine hier gestanden. Die Ruinen des alten Gefängnisses waren zwischen den Mauern des neuen Gebäudes noch zu sehen. Napoleon war dabei, Paris neu zu erschaffen als eine Hauptstadt, die des Kaisers der Welt würdig war. Eigentlich baute er sie für Asharti wieder auf, ob er das wusste oder nicht. Sie würde gewinnen. Johns Schritte wurden langsamer. Ein Schmerz meldete sich von fern in seinem Bauch. Er würde tot sein, und sie würde gewinnen.
    John schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen. Wer konnte sie aufhalten? Beatrix hatte gesagt, dass sie es nicht konnte. Nur dieser Stephan Sincai in Amsterdam, aber der würde es nicht tun. Oder jemand mit Namen Rubius, der abgeschieden in irgendeinem Kloster in den Karpaten lebte. Nein, Asharti würde gewinnen.
    Er unterdrückte den Anflug von Rebellion, der in ihm aufstieg. Es gab keine Hilfe. Seine Aufgabe war es zu verhindern, dass er so wurde wie sie, Blut trank, sich Opfer suchte …
    Weiter ging es die Rue du Faubourg entlang, zwischen den neuen Häusern aus Stein, die sich zu beiden Seiten des breiten Boulevards erhoben. Die Kakofonie der Geräusche um ihn her griff seine Sinne an. Was würde er tun, wenn er dort war? Sicherlich würde es dort Wachposten geben. Aber er war jetzt stark. Er würde mit den Wachen fertig werden. Die Place du Trône lag vor ihm. Der rechteckige Rachen der Guillotine zeichnete sich vor dem Schein der neuen Straßenlaternen ab. Eine halbherzige Erleichterung erfüllte John, dann entrang sich ihm ein Keuchen, während sich sein Gefährte protestierend durch seine Venen wühlte. Aber was war das? Hammerschläge erklangen. Eine Menschenmenge hatte sich am Rand des Platzes eingefunden. Stimmengemurmel. Das war schlimm. Wie sollte er in diesem Menschenandrang seine Pläne in die Tat umsetzen können? Das abgeschrägte Fallbeil glänzte boshaft über ihnen.
    Was geschah dort? John ging weiter und blieb im Zwielicht unter einem der Bäume stehen, die den großen, grasbewachsenen Platz säumten. Hinter den Schaulustigen hatte ein Kreis von uniformierten Soldaten rund um das riesenhafte Gerät Aufstellung genommen. Männer in Arbeitskleidung standen auf der Guillotine, und Stricke baumelten von dem schweren Querbalken herunter, an dem das Fallbeil befestigt war.
    »Lasst die Klinge fallen!«, rief einer der Schaulustigen.
    »Bleibt zurück, ihr Narren!«, schrie ein anderer. Die Menge verstummte erwartungsvoll.
    Das Fallbeil sauste mit einem Zischen und einem metallischen Schlag der Endgültigkeit herunter und wurde am Boden der Guillotine von den Arbeitern gesichert. John mischte sich unter die Menge ungewaschener Körper. Die Seile, die vom obersten Balken hingen, strafften sich, als eine Reihe von Männern sich bereit machte, die Guillotine wieder hochzuziehen.
    »Was ist hier

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