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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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los?«, raunte John seinem Nachbarn zu, einem stämmigen Mann, der nach Knoblauch roch.
    Der Blick des Mannes war auf die sich straffenden Seile gerichtet, als er antwortete: »Sie verlegen Madame la Guillotine auf die Place de Grève.«
    Die riesige Hinrichtungsmaschine neigte sich auf eine Seite. »Aus dem Weg da!«, rief ein Mann, der ein Vorarbeiter sein musste. »Gendarm! Halten Sie die Leute zurück!« Die Guillotine sollte auf eine Plattform mit riesigen Rädern gehievt werden. Stämmige Kaltblüter standen angeschirrt bereit, um die Plattform zu ziehen.
    Die Menge hielt den Atem an. Das Holz knarrte protestierend. Stricke von der gegenüberliegenden Seite strafften sich jetzt, während die Männer das Gewicht der Maschine hielten und sie langsam auf die Plattform herunterließen.
    »Warum?«, fragte John, während er zusah, wie alle seine Hoffnungen für die heutige Nacht der Verzweiflung wichen.
    »Fanueille will am Sonntag eine Frau hinrichten lassen. Seit der Kaiser vom Komitee die Macht übernommen hat, ist keine Frau mehr guillotiniert worden.«
    Fanueille? Eine Frau? »Was für eine Frau?«, fragte John scharf. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein.
    »Irgendeine rothaarige Ausländerin, soweit ich weiß«, mischte sich Johns Nachbar zur Linken ein. Er trug eine Schürze, die nach Fisch roch. »Sie hat für England spioniert.«
    Johns Magen zog sich zusammen. Er musste nicht erst die Liste der Agenten durchgehen, von denen er wusste, dass sie für England spionierten. Unter ihnen gab es keine rothaarige Frau. »Wo … wo wird sie gefangen gehalten?«, brachte er krächzend hervor.
    »In der Conciergerie«, sagte der Knoblauchmann, während die Guillotine auf die fahrbare Plattform heruntergelassen wurde. Sie kam mit einem dumpfen Dröhnen auf, das den Boden erschütterte. Ein Jubelschrei löste sich von der Menge.
    »Sie haben Madame nicht mehr für eine Exekution versetzt seit … seit dem König, denke ich, als sie noch drüben auf der Place de la Révolution stand. Die Frau muss wichtig sein.« Die Männer begannen, die riesigen Balken der Guillotine auf die Plattform zu verladen, während andere sie von der anderen Seite mit Stricken sicherten.
    »Ich habe gehört, sie wollten sie nicht den ganzen Weg von der Conciergerie hierher bringen. Sie ist so wunderschön, dass sie befürchten, die Leute werden den Karren stürmen.«
    »Wie schade«, sagte der Fischhändler.
    John wollte nicht bleiben, um noch mehr zu hören. Er drängte zum Rand der Menge, die sich jetzt hinter ihm gesammelt hatte, um dem Zug der Guillotine die Rue du Trône hinunter zu folgen.
    Beatrix saß in der Conciergerie gefangen. Und Asharti würde sie am Sonntag hinrichten lassen.
    John ging über den Pont au Change auf die Conciergerie auf der Île de la Cité zu. Unter ihm floss die Seine in träger Sorglosigkeit dahin. Es waren nur noch wenige Leute unterwegs. Die große Uhr am Tour de l’Horloge vor ihm schlug ein Uhr. Gottesfürchtige Menschen schliefen um diese Zeit, die müßigen Reichen wohl eher nicht. Der Geruch nach Teer und Abfall war dort, wo das Wasser gegen die Ufermauern schlug, fast übelkeiterregend. Über ihm ragte die Fassade der Conciergerie auf. Undurchdringlich. Wie sollte er dort hineingelangen?
    Hinein musste er. Er hatte seinen fürchterlichen Entschluss aufgeschoben. Er konnte sich den Luxus, sich selbst zu töten, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt gönnen. Jetzt konnte er nichts von dem diamantharten Willen erübrigen, den er brauchte, um Beatrix zu befreien. Ihre jahrhundertealte Verbindung zu Asharti hatte sie vor deren Zorn nicht geschützt. Sein Mund war trocken, weil er wusste, dass Asharti irgendwo in der Nähe war. Angst brannte in seinem Magen. Er war schon zuvor in brenzligen Situationen gewesen, und doch hatte ihn sein Mut nie verlassen. Er betete darum, dass er ihn auch jetzt nicht verlor. Er konnte Beatrix nicht ihrem Schicksal überlassen, ganz egal, was es ihn kostete.
    Also – trockener Mund und ein mulmiges Gefühl im Magen hin oder her – wandte John sich jetzt nach rechts und ging den Quai de l’Horloge hinunter. Wachen gingen vor den Torbögen Patrouille. Er passierte sie. Was er nicht erfahren hatte, war, wie Asharti Beatrix gefangen hielt. Warum versetzte sich Beatrix nicht an einen anderen Ort? Wie hatte Beatrix das genannt – translozieren? Es musste noch etwas anderes dabei eine Rolle spielen, bei dieser … ja, was war es? Magie? Eine besondere Fähigkeit? Was immer

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