Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
war, meldete sich wieder das Prickeln zwischen ihren Beinen. Sie, die sich in sechshundert Jahren nicht einmal dazu hatte hinreißen lassen, mit einem Mann zu schlafen, wollte jetzt eine Wiederholung. Vielleicht mehrere. »Bist du denn stark genug?«, murmelte sie. Sie konnte ihn stark genug machen. Aber sie würde es nicht tun, würde ihn nicht einmal einen Hauch jener Suggestion spüren lassen, die sie noch vor wenigen Augenblicken angewendet hatte, um ihm Standfestigkeit zu verleihen. Warum nicht? Wandte sie die Suggestion nicht seit siebenhundert Jahren auf die eine oder andere Weise bei Männern an, wenn sie den Hunger ihres Gefährten sättigen musste? Selbst wenn sie die Macht ihres Gefährten nicht einsetzte, nutzte sie ihr Wissen über die Männer, damit sie ihr gehorchten, ob sie ihr zu Willen sein wollten oder nicht. Nur dieser Mann hatte sich ihr verweigert. Nur dieser Mann war freiwillig zu ihr gekommen, weil er die Stärke hatte, Nein zu sagen.
»Ich werde mich bemühen, dir Lust zu verschaffen«, sagte er, und Mutwille funkelte in seinen Augen. »Vielleicht könnten wir es dieses Mal ein wenig langsamer angehen lassen? Nur im Interesse meiner Gesundheit natürlich.«
Sie dachte, dass es sie der Reaktion in ihren Lenden nach zu urteilen umbringen könnte, es langsamer angehen zu lassen.
»Wäre es dir schrecklich unangenehm, wenn ich von dir kosten würde?«, fragte er, Höflichkeit vorschützend, obwohl seine Stimme rau klang. Ein Engländer, der seine Zunge benutzen wollte?
Das war beispiellos. Und faszinierend. »Bedien dich«, wisperte sie.
John erwachte in dem verdunkelten Zimmer. Beatrix lag noch in seinen Armen. Sie sah zerbrechlich und unschuldig aus, wie sie so dalag, eingehüllt in den roten Brokat der Bettdecke. Das Rot ließ ihre Haut in dem dämmrigen Zimmer weiß schimmern. Er hatte ihr Lust bereitet mit seiner Hand, seinem Mund, seinem Schwanz, hatte sie in einen Zustand unersättlichen Verlangens gebracht. Er selbst war so erschöpft, dass er sich innen und außen wie wund fühlte. Wie er drei, nein, vier Mal gegen ihre fünf Höhepunkte hatte bestehen können, konnte er sich nicht erklären.
Er hatte erreicht, was er schon seit fast zwei Monaten von ihr gewollt hatte. Er erwartete fast, dass die Eroberung der Festung ihm den willkommenen Schutz der Gleichgültigkeit verschafft hatte. Aber als er Beatrix im Schlaf beobachtete und ihre leisen Atemzüge hörte, wusste er, dass er mehr Gefühle für sie hegte denn je zuvor.
Wer war diese Frau? Und warum zog sie ihn so sehr an? Benutzte sie die Männer nicht genauso wie Angela oder Cecily, Pauline Bonaparte und zahllose andere? Für jemanden wie ihn, der so sehr und so vergeblich nach Tugendhaftigkeit gesucht hatte, war diese Frau die ganz und gar falsche. Sie war das Gegenteil von tugendhaft. Warum also zog sie ihn so verdammt an? Wahrscheinlich nur, weil sie Minister und Dichter haben konnte, selbst den Prinzregenten, wie einige sagten. Und doch hatte sie sich gerade der Leidenschaft mit ihm hingegeben.
Wahrscheinlich gab sie sich ihren Leidenschaften jede Nacht mit einem anderen Mann hin. Wer hätte sagen können, ob er etwas Besonderes für sie war? Hatte er nicht Frauen gekannt, die süchtig nach Sex gewesen waren? Und doch … sie schien so überrascht gewesen zu sein, als ihre Leidenschaft in den vergangenen Stunden wieder und wieder erwacht war. Sie hatte sich an ihn geklammert, als sie aufgeschrien hatte. Freilich, sie hatte ihm nicht den Rücken zerkratzt, was ein sicheres Zeichen für die Leidenschaft einer Frau war. Aber dafür war er ihr offen gestanden ziemlich dankbar. Doch sie schien aufrichtig entzückt gewesen zu sein. Er war froh darüber. Und sie war so geschickt, zärtlich und liebevoll gewesen, als sie ihm Vergnügen bereitet hatte, selbst nachdem er gestöhnt hatte, dass er nicht mehr könnte. Das hatte er ohne Zweifel ihrer Erfahrung zu verdanken.
Er seufzte. Heute Abend würde er im Hafen an Bord eines Kutters gehen, um nach Frankreich zu reisen. Zumindest würde er dieses Mal keine Verabredung treffen, die er nicht einhalten konnte. Er presste die Lippen aufeinander. Er würde es ihr sagen müssen.
Ein Gefühl von Sinnlosigkeit erfüllte ihn. Was hatte er hier erreicht? Er ging fort, vielleicht für Monate, vielleicht um zu sterben. Er war alles, was sein Land zur Verteidigung gegen diese geheimnisvolle Frau, die sich Asharti nannte, aufbieten konnte. Das war das Leben, das er gewählt hatte. Er war diese
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