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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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fragte Ethan sofort.
    »Ja – er war bei den Hundezwingern, aber jetzt ist er weitergelaufen, um ... noch ein bisschen die Umgebung zu erkunden.« Sie bemühte sich, ihre Worte leicht klingen zu lassen, schon um ihre Tante nicht zu beunruhigen.
    »Lass ihn ruhig alles erkunden«, meinte Victoria. Sie konnte Taras Besorgnis nicht sehen, Ethan aber schon.
    »Er wird bei den Kamelen sein. Ich muss ihnen sowieso etwas zu trinken geben und schaue dabei nach ihm«, meinte er.
    »Danke«, murmelte Tara. Wieder einmal war sie Ethan dankbar für das Interesse, das er an Jack nahm.
    »Tara, schau dir das an«, meinte Victoria und hielt ein Bild hoch. »Bin ich das in einem gelben Kleid und mit einem großen Sonnenhut?«
    Tara nahm die alte Fotografie und begriff, dass ihre Tante die Details auf dem Bild nicht erkennen konnte. »Ja, das bist du. Du sitzt in einem Liegestuhl in einem Unterstand.«
    »Ist der Unterstand nach drei Seiten hin offen?«
    »Genau. Du prostest dem Fotografen mit einem Glas in der Hand zu. Man sieht seinen langen Schatten auf dem Boden, wahrscheinlich war es am späten Nachmittag, und an einer Seite stehen ein Stück entfernt zwei Mutterziegen.« Tara dachte, dass Victoria auf dem Bild viel jünger und vitaler aussah. Was von ihren Haarenunter dem Sonnenhut hervorschaute, war noch braun, und das Gesicht war voll und strahlte Gesundheit aus.
    »Tom hat das Bild aufgenommen«, meinte Victoria lächelnd. »Er hat ständig fotografiert, aber er hasste es, selbst abgelichtet zu werden. Kannst du dir vorstellen, dass dieser Unterstand fast ein Jahr lang mein Heim gewesen ist?« Wir sind von Sandstürmen fast weggeweht worden, beinahe weggeschwommen, nachdem es drei Tage hintereinander ununterbrochen geregnet hatte, und wir haben unser Zuhause mit Pferden, Ameisen, Fliegen, Schlangen, Eidechsen und sogar Termiten geteilt.«
    Tara war zutiefst erschrocken. Wie hatte ihre Tante ein solches Leben nur ausgehalten?
    »Das war mein Empfang im Outback«, fügte Victoria hinzu.
    Tara musste zugeben, dass ihr eigener Beginn im Outback dadurch weit in den Schatten gestellt wurde. Immerhin hatte sie im Wombat-Creek-Hotel übernachten können!
    »Tom meinte, wenn ich das aushielte, könnte ich alles überstehen.« Tiefe Wehmut schwang in Victorias Stimme mit, als sie fortfuhr: »Mit ihm wäre ich auch auf den Mars gegangen!« Sie lächelte traurig. »Jetzt im Nachhinein kann ich darüber lachen, aber damals war es schon ziemlich hart. Seitdem können mich weder Dürre noch der Verlust von Vieh richtig erschrecken.« Victoria hielt sich das Bild nah vor die Augen und blinzelte angestrengt, während sie es untersuchte. »Diesen Unterstand gibt es noch – er wird jetzt zur Lagerung von Futter verwendet, wenn es welches zu lagern gibt. Das Haus war noch lange nicht fertig, als wir eingezogen sind. Die Dielen waren noch nicht gelegt, es gab noch keine Fenster – aber ich konnte gar nicht schnell genug aus diesem Verschlag hinaus. Ich erinnere mich noch, wie ich Tom bat, mich im Haus schlafen zu lassen, lange bevor es fertig war. Er hat mir immer nachgegeben, konnte mir nichts verwehren. Deshalb habe ich es auch nicht fertig gebracht, ihm zu widersprechen, als er hier in die Einsamkeit ziehen wollte – auch wenn ich sehr große Bedenken hatte.« Sie seufzte leise auf. »Er hatte mich noch nieum etwas gebeten, und es war offensichtlich, dass er dieses Land liebte. Es gab damals nichts hier draußen, absolut nichts, außer einer Hand voll europäischer Siedler, die mir alle vorkamen, als seien sie durch die viele Sonne irgendwie seltsam geworden. Aber Tom wollte mir etwas beweisen.« Victoria blickte sich in dem großen Wohnraum um. Zwar konnte sie die Gegenstände aus dieser Entfernung nur noch als Schatten wahrnehmen, doch sie fühlte all ihre wertvollen Besitztümer um sich herum, an denen so viele glückliche Erinnerungen hingen. Da waren geschnitzte Elefanten und Holzstatuetten, Tabletts mit eingelegten Webarbeiten unter Glas, Schüsseln und Schalen, Messingverzierungen, unzählige Regale voller Bücher, das Grammofon und viele gerahmte Fotografien aus ihrer Zeit in Indien.
    »Ich habe diesen Ort sehr schnell genauso geliebt wie er«, fuhr Victoria fort, »aber ich bin sicher, du hältst mich jetzt für verrückt.«
    Tara wusste nicht so recht, wie sie ihrer Tante höflich antworten und trotzdem die Wahrheit sagen sollte, doch Victoria erriet ihre Gedanken. »Versuche, unvoreingenommen zu bleiben, Liebes. Mit der Zeit

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