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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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eine Gefangene war und er keine Ahnung hatte, wo sie sich jetzt aufhielt. Während er darüber nachgrübelte, arbeitete er sich durch den Stapelmit der Post, als plötzlich ein Umschlag mit einer auffallenden Schrift seine Aufmerksamkeit erregte. Er drehte ihn um und erkannte, dass er durch ein seltsames Spiel des Schicksals einen Brief von Elsa Killain in der Hand hielt.
    Kelvin schaute von seinen Papieren auf, als Riordan eilig die Galerie verließ. Der Geschäftsführer hegte keinen Zweifel daran, dass die Eile seines Arbeitgebers etwas mit Elsa Killain zu tun haben musste. In seinen Unmut mischte sich Erleichterung darüber, dass Riordan endlich einmal etwas anderes tat, als nur still brütend in seinem Büro zu sitzen und seinen gesamten Verstand zu vertrinken.
    Riordan blieb kaum Zeit, sich zu Hause zu rasieren und umzuziehen, bevor er sich im Teesalon des ›Great Acorn Hotel‹ mit Elsa traf. Seit er ihren kurzen Brief gelesen hatte, fragte er sich, warum sie ein so abgelegenes Hotel als Treffpunkt gewählt hatte. Knapp vor ihr traf er dort ein.
    Riordan und Elsa Killain waren sich nur ein einziges Mal begegnet, als er vor Jahren ein wertvolles Gemälde in ihr Haus in Edenderry gebracht hatte. Zu jenem Zeitpunkt waren seine Geschäfte sehr schlecht gegangen, und Ninian Killain war ihm als ein viel versprechender neuer Kunde erschienen. Bei diesem Besuch hatte Riordan Tara nicht kennen gelernt, sondern nur aus einem Nebensatz entnommen, dass Elsa und Ninian eine Tochter hatten. Sie hatten kurz erwähnt, dass sie eine Tante besuche, und dann hatte Ninian sehr ausführlich von seinen Söhnen erzählt. Kurz darauf war Tara verschwunden, und ungefähr um dieselbe Zeit hatte ihr Vater, wie Riordan jetzt auffiel, sein Interesse an wertvoller Kunst verloren.
    Riordans bisher einzige kurze Begegnung mit Elsa hatte ihm den Eindruck einer arroganten, oberflächlichen Frau vermittelt, deren größte Sorge ihren vielen Besitztümern galt und die sich nichts aus Gerede machte. Als sie jetzt den Speisesaal betrat, gekleidet in ein schlichtes schwarzes Kleid und einen schweren Mantel, um den Hals eine edle, einreihige Perlenkette, wirkte siegänzlich anders. Die Frau, die mit einem höflichen Lächeln auf den blassen Lippen auf ihn zukam und in deren schmalem Gesicht deutlich Spuren der Anspannung zu sehen waren, war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nichts war geblieben von der Selbstsicherheit und der vornehmen Zurückhaltung, die er vor Jahren an ihr beobachtet hatte. Er fühlte ehrliches Bedauern angesichts ihres Verlusts, denn seiner Meinung nach war Ninian Killain ein echter Gentleman unter den Landbesitzern gewesen.
    »Guten Tag, Mrs. Killain.« Riordan nahm ihre ausgestreckte Hand und erwiderte ihren Blick. Er sah den verdächtigen Glanz in ihren grünen Augen und die dunklen Ringe darunter, die auf viele schlaflose Nächte schließen ließen. Ihm fiel sofort auf, dass Ihre Haare einen etwas blasseren Rotton hatten als die ihrer Tochter. Die Strähnen, die unter ihrem Hut hervorlugten, waren von einem hellen Rotbraun, während Taras Haare einen satten Kupferton besaßen. Elsas Haut wirkte wie mit bläulichem Staub gepudert, Taras dagegen war von honigfarbenem Gold, ihre Wangen glatt und rosig.
    »Mein tief empfundenes Beileid – ich habe erst heute Morgen aus der Zeitung von ihrem Verlust erfahren.«
    »Danke, Mr. Magee«, erwiderte Elsa, während Riordan ihr einen Stuhl zurechtrückte. Nachdem sie sich gesetzt hatte, brauchte sie eine Weile, bis es ihr gelungen war, ihre Handschuhe auszuziehen, und Riordan überlegte schon, ob die Trauer ihr wohlmöglich so zugesetzt hatte. Doch als sie dann zu sprechen begann, verlor sich dieser Eindruck. Ihre anfangs noch ein wenig unsicher klingende Stimme wurde rasch fest. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich nur auf diese kurze Nachricht hin hier eingefunden haben!«
    Riordan neigte den Kopf. »Die Post ist wirklich seit einiger Zeit sehr langsam geworden – Ihr Brief hat mich erst heute Morgen erreicht.«
    »Seltsam«, meinte Elsa. »Ich habe ihn schon vor mehr als einer Woche abgeschickt. Dann muss ich Ihnen erst recht dankbar sein,und ich bedaure, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe!«
    Riordans Meinung über Elsa hatte sich mittlerweile vollkommen gewandelt. Ihr Ton war sehr warm und freundlich, nicht im Mindesten arrogant, und ihr einfaches Auftreten sowie das Fehlen von auffälligem Schmuck ließen keinen Zweifel daran, dass sie nicht auffallen

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