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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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erklären haben.
    Victoria ging zu Tadds Cottage hinüber und klopfte an die Tür, die nur angelehnt war. Er öffnete ihr mit seinen Stiefeln in einer Hand.
    »Ich möchte mit dir reden, Tadd«, begann sie.
    Der Ernst auf ihren Zügen und in ihrem Ton erschreckte ihn. Er wusste, dass seine Ausweichmanöver sehr offensichtlich gewesen waren, und fühlte sich wie ein Feigling. Nachdem er die Stiefel vor die Tür gestellt hatte, sagte er müde: »Kann das nicht warten, Victoria? Ich war gerade im Begriff, mich zu waschen.«
    »Nein, Tadd. Wir haben schon viel zu lange gewartet.«
    »Victoria, als Arbeitgeberin solltest du nicht mit Nugget und den Jungen zusammen essen, finde ich«, sagte er statt einer Antwort. Sein geringschätziger Ton ließ sie zum ersten Mal darüber nachdenken, ob er die Aborigines tatsächlich hasste, wie Tara vermutete. »Warum nicht? Sie haben monatelang ohne Lohn für mich gearbeitet, und diese Art von Loyalität schätze ich sehr hoch ein.«
    Tadd fuhr auf: »Willst du damit sagen, ich sei nicht loyal?«
    Victoria spürte, wie gekränkt er war. »Nein, natürlich nicht. Ich bin sicher, dass du in bester Absicht gehandelt hast, aber ...«
    »Aber was?«
    »Du hättest mir die Wahrheit sagen müssen – und zwar die ganze Wahrheit!«
    »Du hast in der Bargelddose nachgeschaut, nicht wahr?«
    »Ja. Ich weiß, dass sie leer ist. Und ich weiß auch, dass du fast das ganze Geld für Notlagen genommen hast. Ich bin sehrenttäuscht von dir, Tadd. Wann hattest du vor, mir zu sagen, was los ist – wenn wir buchstäblich keinen Penny mehr gehabt hätten?«
    Tadd senkte den Kopf. »Ich weiß, dass ich nicht richtig gehandelt habe, Victoria. Ich hatte Angst, es dir zu sagen – Angst, dass es dir das Herz brechen würde!«
    »Nun, das hast du so auch geschafft.« Sie sah den Ausdruck der Scham auf seinem Gesicht, und jetzt tat er ihr Leid. »Ich wünschte, ich hätte eher davon gewusst, Tadd. Vielleicht wäre es dann gar nicht so schlimm gekommen.«
    »Das bezweifle ich, Victoria«, gab er trotzig zurück. »Alle sind in der gleichen schwierigen Lage.«
    »Wir werden rasch handeln müssen, um die Farm zu retten«, erklärte Victoria.
    »Wäre es nicht einfacher, wenn du verkaufst und nach Irland zurückgehst?«
    Victoria wich zurück, als habe er sie geschlagen. »Nach ... Irland zurückgehen?«
    »Ja, mit deiner Nichte und den Kindern.«
    »Ich habe keineswegs die Absicht, nach Irland zurückzugehen, Tadd. Ich möchte hier leben, in Tambora. Die Farm ist jetzt auch Taras Heimat und die der Kinder. Egal was ich dafür tun muss, ich werde die Farm retten! Ich bin hier, um dich zu fragen, ob du mir dabei helfen wirst.«
    Tadd runzelte die Stirn. »Das weißt du doch, Victoria. Ich werde tun, was ich kann!« Es klang eher resigniert als entschlossen, wie Victoria fand.
    »Ich habe deine Loyalität immer anerkannt, Tadd, und es immer so empfunden, dass unser Verhältnis weit über die normale Beziehung zwischen Arbeitgeber und Angestelltem hinausgeht.«
    »Ich weiß, Victoria – und jetzt habe ich dich im Stich gelassen.«
    »Wir werden nicht mehr darüber sprechen, Tadd. Wir tun einfach, was wir tun müssen, um die Farm zu retten. Ich habe in Indien einen Freund, der eine Teppichfabrik besitzt. Er hat mir einmal vorgeschlagen, unsere Wolle dorthin zu exportieren. Ich habevor einiger Zeit die Möglichkeit geprüft und fand alles durchaus machbar. Ethan hat ihm von Wombat Creek aus ein Telegramm geschickt, und wenn die Antwort günstig ausfällt, haben wir durchaus eine Chance. Mit dir und Tara an meiner Seite werde ich es sicher schaffen.«
    »Das ist ja wunderbar, Victoria!«, sagte Tadd.
    Victoria wandte sich zum Gehen. »Ich sage dem kleinen Jack, er soll dir deinen Anteil vom Hühnchen herüberbringen.«
    »Danke«, murmelte Tadd, doch in Wirklichkeit war ihm der Appetit vergangen.

18
    I ch ... werde ... nicht ... gehen, ... bevor ... Sie ... mir ... nicht ... gesagt ... haben, ... wo ... meine ... Schwester ... ist!«, stieß Moyna Conway hervor. Sie lehnte ihre schweren Brüste, die wie zwei reife Melonen waren, auf den Tresen des Büros der Dubliner Schifffahrtsgesellschaft. Ihr erhebliches Gewicht hatte den Weg zum Büro für sie zu einer großen Anstrengung werden lassen. Ihr Gesicht war rot angelaufen, ihre fettigen Haare wirr und unordentlich. Drei plärrende Kleinkinder klammerten sich an ihre ausladenden Röcke, und ein halbwüchsiger Junge mit Nagetiergebiss und abstehenden Ohren versuchte

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