Der Ruf des Abendvogels Roman
nichts zu verbergen, und ich bin sicher, dass unser Haus für Kinder sehr gut geeignet wäre. Wir haben, wie gesagt, so viel Platz, und Jack und Hannah wären bestimmt froh über ein paar Spielkameraden!«
Tara runzelte seufzend die Stirn.
»Was ist los, Tara?«
»Ich mache mir Sorgen darüber, was geschieht, wenn die Regierungsbeamten in meinem Lebenslauf herumzuschnüffeln beginnen. Immerhin bin ich vor dem Gesetz nicht der rechtmäßige Vormund der Kinder.«Tadd Sweeney, der gerade das Esszimmer betreten wollte, blieb wie angewurzelt stehen. Er hatte die letzten Worte Taras gehört und fragte sich, ob er richtig verstanden hatte. Er meinte, Tara habe gesagt, sie sei nicht der gesetzliche Vormund von Jack und Hannah. Doch wie war das möglich, wenn sie doch ihre Mutter war?
»Ich glaube nicht, dass du etwas zu befürchten hast, Tara«, meinte Victoria. »Die Kinder haben doch hier keine Verwandten, oder?«
»Nein, aber ...« Die Flurdielen knarrten, und Tara fuhr nervös herum.
»Bist du das, Sanja?«, rief Victoria.
Tadd kam herein. »Wenn du Sanja suchst, Victoria, er ist draußen. Soll ich ihn holen gehen?«
Tara und Victoria wechselten einen Blick. Beide fragten sich, ob Tadd ihre Unterhaltung mitgehört hatte, doch er schien völlig unbefangen.
»Nein, es ist nicht so wichtig, Tadd«, erwiderte Victoria. »Reitest du jetzt nach Wombat Creek?«
»Ja. Ich habe die Nachricht eingepackt, die Sie mir gegeben haben, Tara – keine Sorge, ich schicke das Telegramm für Sie ab.«
»Danke, Tadd. Könnten Sie das hier vielleicht Percy Everett geben?« Es war die Uhr, die Belle ihr anvertraut hatte. »Sagen Sie ihm, er hat sie im Waschraum des Hotels vergessen. Ich fand sie und habe nicht mehr daran gedacht, sie ihm zu bringen.«
Tadd nahm die Uhr und steckte sie ein. »Wir sehen uns, wenn ich zurück bin!«
Im Flur hielt er noch einen Moment inne, doch er wagte nicht, länger stehen zu bleiben und zu lauschen, obwohl er nichts lieber getan hätte.
Victoria sah Tara an. »Ich habe gar keine Lust, nach Alice zu reisen«, meinte sie.
»Ich weiß, Tante Victoria. Aber es ist ja nur für ein paar Tage.Ich würde ja mitkommen, aber ich halte es nicht für richtig, die Kinder allein zu lassen. Hannah fängt gerade erst an, sich wohl zu fühlen, und ich weiß nicht, was Jack als Nächstes anstellen wird!«
»Das verstehe ich, Tara. Die Kinder brauchen im Moment sehr viel Zuwendung!«
»Du wirst Sorrel sicher mögen.« Tara lächelte, als sie an Sorrels Ruhe und Güte dachte. »Sie ist eine richtige Dame, aber sie sagt so offen, was sie denkt, dass man sie nur dafür bewundern kann.«
»Habt ihr euch auf der Reise angefreundet?«
»Nein. Sie ist erster Klasse gereist, und wir sind uns erst begegnet, als das Schiff sank. Ihre tapfere Haltung hat mich davor bewahrt, völlig die Nerven zu verlieren.« Sie erschauderte bei der Erinnerung an das schreckliche Geschehen.
Victoria war fasziniert, und ihre Neugier wuchs. »Was macht sie in Alice?«
»Ihr Sohn und dessen Frau haben das Stuart-Arms-Hotel gepachtet. Nachdem Sorrels Mann gestorben war, hat ihr Sohn darauf bestanden, dass sie herkommen und bei ihnen wohnen sollte. Ich glaube nicht, dass sie es gern getan hat, aber sie wollte ihren Sohn nicht enttäuschen.«
Das verstand Victoria sehr gut. »Tara, unter diesen Umständen sollte ich die Reise nicht machen. Ich kann mir keine Brille leisten, selbst wenn ich sie brauche.«
»Mach dir darüber keine Gedanken, Tante – wir bekommen das Geld schon zusammen, das verspreche ich dir!«
»Aber wie, Tara?«
»Ich möchte, dass du nicht mehr daran denkst. Hab Vertrauen zu mir, Tante Victoria!«
Ethan war nach Wombat Creek geritten, um die Post abzuholen, und hatte versprochen, mit Ferris, Rex und Percy über die Verschiebung des Wohltätigkeitsfests und den Verwendungszweck des Geldes zu sprechen. Er wollte ihr über Funk Bescheid sagen, wenn eine Entscheidung darüber gefallen war, ob der Erlös in diesem Jahr Victoria zugute kommen konnte.
Victoria hätte gern noch mehr herausgefunden, doch die Entschlossenheit in Taras Ton hielt sie davon ab, weiter zu fragen. Trotzdem hasste sie den Gedanken, Tambora zu verlassen, auch wenn es nur für kurze Zeit war.
»Ich könnte, während ich in Alice bin, vorsichtige Erkundigungen darüber einziehen, ob wir Aussichten hätten, Pflegekinder zu bekommen – aber wir sollten Tadd noch nichts davon sagen. Wenn ich den Eindruck habe, dass die Behörden zu sehr in deinen
Weitere Kostenlose Bücher