Der Ruf des Abendvogels Roman
nicht genug Bretter da, um den Rest des Gartens sicher zu bedecken. Tara arbeitete an ihrem Ende verbissen weiter und nahm kaum wahr, dass es in großen Tropfen zuregnen begonnen hatte und der rote, pudrige Staub sich in wahre Schlammströme verwandelte.
Bald war Tara von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt und erschöpft von der Anstrengung, die Laken ebenso oft wieder auf die Pflanzen zu legen, wie der Wind sie herunterwehte. Irgendwann fühlte sie sich dann von der Hoffnungslosigkeit des ganzen Unterfangens überwältigt. Sie hatte sich verzweifelt einzureden versucht, dass es noch eine Chance gab, die Farm zu retten. Die Rettung ihres Gartens schien ihr ein Schritt zu sein, der dazu beitragen würde. Doch es war unmöglich – die Hindernisse waren zu groß! Und wie die Heuschrecken würde auch die Bank unerbittlich sein.
»Warum kämpfe ich überhaupt?«, rief sie verzweifelt. »Es ist ja sowieso alles verloren!« Sie stand mühsam auf und schrie all ihre Bitterkeit und Enttäuschung auf einmal hinaus. Als wolle der Himmel ihr das Recht absprechen, so wütend zu sein, begann es in diesem Moment noch stärker zu regnen. Die Tropfen prasselten senkrecht vom Himmel, etwas, das Tara nie zuvor erlebt hatte, doch sie achtete kaum darauf. Ihr durchweichtes Nachthemd war über und über mit Dreck beschmiert und klebte ihr am Körper wie eine zweite Haut, sodass sich ihr Körper darunter deutlich abzeichnete. Doch ihre Verzweiflung war so tief, dass sie es nicht bemerkte. Noch niemals in ihrem Leben hatte sie eine solch abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit empfunden, nicht einmal, als die Zigeuner sie aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen hatten.
Ethan sah sie an, doch sie war sich der Wirkung nicht bewusst, die der Anblick ihrer Brüste und der schlanken Oberschenkel auf ihn hatte, die sich unter ihrem nassen Nachthemd so deutlich abzeichneten, als sei sie nackt. Er bot alle Willenskraft auf, um davon unberührt zu bleiben, als er neben sie trat und ihr tröstend einen Arm um die bebenden Schultern legte.
»Es tut mir Leid, dass ich nicht eher hier war, Tara. Die Heuschrecken haben mich überrumpelt. Aber ich glaube, wir werden trotzdem ein paar von den Pflanzen retten.«
Er vermied es, ihr ins Gesicht zu blicken, aus Angst, sie könnte ihm ansehen, wie durcheinander er war. »So etwas passiert hier einfach manchmal – aber es ist nicht das Ende der Welt!«
»Sie verstehen gar nichts!«, rief Tara aufbrausend. »Es ist sowieso bald alles verloren – wirklich alles!«
Ethan sah, dass sie verzweifelt war, doch die Heftigkeit ihrer Reaktion verwirrte ihn. Er hatte sie für stärker gehalten, als sie in diesem Moment schien, vor allem nachdem er sie so hart und ohne jede Klage in diesem Garten hatte arbeiten sehen.
»Ein paar Pflanzen sind doch nicht alles, Tara! Diese hier haben nur ein paar Tage gebraucht, um aus der Erde zu kommen – ich helfe Ihnen gern, wieder neue zu säen! Nach diesem Regen werden sie in Rekordzeit wachsen!«
Trotz ihres Kummers spürte Tara, wie froh Ethan über den Regen war, und das aus gutem Grund. Nach Jahren der Trockenheit wurde jeder Niederschlag freudig begrüßt, auch wenn der Zeitpunkt nicht schlechter hätte sein können. Doch Ethan konnte ja nicht wissen, dass es nichts gab, was Tambora retten konnte.
Der Wind war abgeflaut, doch es regnete noch immer wie aus Kübeln. Tara blickte sich indem zerstörten Garten um. Sogar die nassen Bettlaken, die die Pflanzen eigentlich hatten schützen sollen, waren völlig durchnässt, und ihr Gewicht drohte die zarten Schößlinge zu zerdrücken. Tara sank auf die Knie in den Schlamm und brach in Tränen aus. Ihr ganzer Körper wurde von verzweifeltem Schluchzen geschüttelt.
Ethan fühlte sich hilflos, und gleichzeitig eigenartig tief berührt wie nie zuvor. Er spürte den Impuls, bei Tara zu bleiben und sie zu trösten, doch zum ersten Mal in seinem Leben war er nicht sicher, ob er sich selbst trauen konnte. Wahrscheinlich war es am besten, wenn er fortging, solange er es noch konnte. Er war jedoch kaum ein paar Schritte weit gekommen, als Tara den Kopf hob und ihn mit einem Blick ansah, in dem tiefe Hilflosigkeit stand. Ethan seufzte leise auf, ging zurück, kniete vor ihr nieder und strich ihr eine Strähne ihres nassen Haares aus der Stirn. Erwar verzweifelt bemüht, ihren Reizen nicht zu erliegen und ihr Trost zu spenden.
»Hier draußen, Tara, sind wir der Natur und ihren Elementen ausgeliefert – und die können sehr grausam sein.« Er
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