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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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verführerisch – eine wahre Zigeunerschönheit ...
    Tadd hielt das Bild noch immer hoch, als Riordan hereinkam.
    »Woher haben Sie das?«, fragte er den Verwalter.
    »Es ist heute mit dem Zug angekommen.«
    Riordan sah den entsetzten Ausdruck in Taras Augen, bevor sie ihr Gesicht in den Händen barg. »Kelvin muss es hergeschickthaben«, stellte er fest. »Ich hatte ihn gebeten, es Victoria zurückzusenden.«
    »Oh Tante Victoria«, stieß Tara verzweifelt hervor, »es tut mir so Leid!« Dann verließ sie schluchzend den Raum.
    »Percy hat das Bild gesehen, bevor ich etwas unternehmen konnte, Victoria«, erklärte Tadd. »Und ich konnte ihn leider nicht davon abhalten, es im Hotel allen zu erzählen. Du weißt ja, wie redselig er wird, wenn er ein paar Drinks gehabt hat ... Die Männer waren so schockiert! Ich habe noch versucht, Tara zu verteidigen, aber du weißt ja, wie die Leute sind ...«
    »Ja«, erwiderte Victoria, »ich weiß, wie die Leute sind.«
    Ein anderes Porträt von Tara hatte lange im Esszimmer an der Wand gehangen, bevor sie es Riordan geschickt hatte. Die Männer hatten Taras Schönheit bewundert, doch Victoria war klar gewesen, dass die Frauen hinter ihrem Rücken getuschelt hatten, weil sie mit einer Zigeunerin verwandt war. Glücklicherweise hatte niemand außer Ethan Tara bei ihrer Ankunft im Outback als die Frau auf dem Bild erkannt, doch jetzt würde jeder erfahren, dass sie bei den Zigeunern gelebt hatte.
    Victoria selbst störte das Gerede nicht, und Tara behauptete, dass sie es gewöhnt war, von Menschen verteufelt zu werden, die auf sie herabsahen – doch Victoria befürchtete, dass es Elsa furchtbar treffen würde.

31
    N ugget war vor Tagesanbruch auf den Beinen, um den Scha- fen Futter und Wasser zu geben. Er war gerade dabei, Wasser aus dem Brunnen hochzupumpen, als er die Scherer ankommen hörte. Sie waren eine laute Truppe, besonders Wally Sherbourne, der beste unter ihnen, ein großer Mann Ende dreißig, der an Schultern und Rücken stark behaart, auf dem Kopf jedoch fast kahl war. Er konnte an einem Tag einhundertfünfzig Schafe scheren, und das bei Temperaturen von manchmal über fünfzig Grad. Dann lief ihm der Schweiß vom Körper wie Wasser aus einem undichten Eimer.
    Nachdem er die Tröge für die durstigen Schafe gefüllt hatte, ging Nugget zu den Hütten hinüber, um die Männer zu begrüßen. Normalerweise backte er für sie morgens Brot und kochte Tee, doch Tadd hatte ihm gesagt, die Männer würden nicht vor neun Uhr eintreffen. Das war ihm allerdings seltsam erschienen, denn sonst fingen sie immer im ersten Tageslicht an. Doch Tadd hatte ihm keinen Grund dafür genannt, warum das an diesem Tag anders sein sollte. Bevor Nugget die offene Tür einer der Hütten erreicht hatte, hörte er Tadds Stimme und blieb stehen.
    »Ich bin überrascht, euch hier zu sehen«, erklärte Tadd in seltsam scherzhaftem Ton, der Nugget verwirrte. Schließlich hatten sie die Scherer heute erwartet.
    »Victoria sagte, es sei dringend«, erwiderte Wally, der mit der Geschicklichkeit eines Experten die Schneiden seiner Schere schliff.
    »Wo bleibt Nugget mit unserem Tee und dem Damper?«,fragte Wonky Warburton. Er war ein eher schmächtiger Mann, aber zäher, als man vermutet hätte. Er hatte ein Auge verloren, als ihm in einem Wirbelsturm ein Stück Baumrinde ins Gesicht geflogen war, und trug eine Augenklappe, doch er war noch immer einer der besten Scherer in ganz Südaustralien.
    »Um ehrlich zu sein, ich habe ihm gesagt, er soll heute Morgen gar nicht erst kommen, weil ich ganz sicher war, dass ihr nicht auftauchen würdet.«
    »Aber warum?«, wollte Wonky wissen.
    »Anscheinend habt ihr noch nicht gehört, was in der Stadt erzählt wird«, erwiderte Tadd. »Vielleicht ist es auch besser so.«
    »Was wird denn erzählt?«, fragte Wonky, und vier der anderen Männer unterbrachen das, was sie gerade taten, um zuzuhören. Nur Wally arbeitete ungerührt weiter.
    »Also – wahrscheinlich sollte ich es euch gar nicht sagen, aber ich finde, ihr habt genauso ein Recht darauf, es zu wissen, wie alle anderen auch. Victorias Nichte lebt hier auf der Farm, und in der Stadt ist gerade bekannt geworden, dass sie in Irland bei den Zigeunern gelebt hat.«
    »Percy hat gestern Abend so etwas erwähnt – aber was ist schon dabei, sage ich?«, meinte Wonky. »Ich war mal mit einem Mädchen zusammen, dessen Großmutter eine Zigeunerin gewesen sein soll. Verdammt hübsch war sie, und eine gute Köchin dazu

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