Der Ruf des Abendvogels Roman
– aber sie hat mich verlassen. Sie sagte, ich wär dumm wie Stroh, wenn ich ein paar Drinks gehabt hätte, und mir fiel nichts dazu ein.«
»Nicht jeder ist so tolerant wie du, Wonky«, fuhr Tadd fort. »Ich habe auch keine Vorurteile, aber anscheinend hat Tara gegen Bezahlung für die Männer getanzt ... Jedenfalls will niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben, und auch nicht mit ihren Verwandten, Victoria eingeschlossen. Und wenn sie sich schon gegen Victoria wenden, dann schneiden sie jeden, der mit dieser Frau zu tun hat. Ich würde sagen, ihr riskiert, zukünftige Anstellungen zu verlieren, nur indem ihr hier nach Tambora kommt!«
Nugget war zutiefst erschrocken. Tara hatte ihm von dem Zigeunerbild erzählt, als er sie wegen ihrer düsteren Stimmung angesprochen hatte. Obwohl er kein Problem darin sah, dass sie bei den Zigeunern gelebt hatte, und ihr das auch gesagt hatte, wusste er selbst nur zu gut, wie überheblich die Weißen sein konnten. Was er nicht verstand war, warum Tadd den Scherern davon erzählte.
»Ich denke nicht, dass wir damit Probleme haben werden«, sagte Wally und ging wieder an die Arbeit. Er war als Scherer durch das ganze Land gezogen, von der Känguru-Insel im Norden bis zum Hochland von New South Wales, und er hatte dabei fast alles erlebt, was man erleben konnte. Ihn überraschte nichts, und er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich niemals in die inneren Angelegenheiten oder Probleme der Farmen einzumischen. Er scherte einfach nur die Schafe und verschwand dann wieder. Natürlich hatte er die Männer im Wombat-Creek-Hotel reden hören, doch er hatte einfach abgeschaltet und war zu einem Spielchen ›Two-Up‹ mit Ferris nach draußen gegangen. In der kommenden Woche zog er weiter nach Süden, in die ›Flinders-Ranges‹, und bis dahin hatte er kein Interesse an irgendwelchen Schwierigkeiten.
»Victoria wollte dieses Wochenende eine Party geben«, fuhr Tadd fort. »Und alle Welt hatte schon zugesagt – bis sie das mit Tara erfahren haben. Jetzt kommt niemand mehr. Aber ihr müsst selbst entscheiden, ob ihr das Risiko eingehen wollt, woanders nicht mehr angestellt zu werden. Ich weiß, dass einige von euch Familien zu ernähren haben und dass gute Jobs im Moment rar sind. Ich wollte euch nur darüber informieren, was vor sich geht.« Tadd sah, dass die Männer immer noch nicht überzeugt waren. Vermutlich war es am besten, sie zuerst einmal in Ruhe über seine Worte nachdenken zu lassen. Er wandte sich schon zum Gehen, als ihm eine Idee durch den Kopf schoss. »Wolltet ihr nicht zu Bill MacDonalds, nachdem ihr hier fertig seid?«
»Ja, genau. Er verkauft seine Wolle wie die meistenFarmbesitzer hier draußen an die Landwirtschaftskammer. Sie bezahlen zwar nicht so gut, sind aber sichere Abnehmer, und die Farmer müssen ihre Verluste wieder wettmachen.«
»Also, keine Angst, ich sage Bill nichts davon, dass ihr hier wart. Ihr wisst ja, wie er ist – er kann die Abos nicht ausstehen. Wahrscheinlich wäre er nicht sehr erfreut, jemanden in der Nachbarschaft zu haben, der sich mit Zigeunern abgibt, vor allem, wo er aus Wimbledon kommt, dieser vornehmen Gegend in England, wo sie solche Herumtreiber gar nicht mögen.«
»Das hier ist für uns die erste Arbeit seit Wochen, Tadd. Wir können es uns nicht leisten, sie abzulehnen. Les hat ein Mädchen geschwängert, dessen Vater mit einer Schrotflinte hinter ihm her ist, und Jocks Frau trägt auch wieder ein Kind.«
Tadd wurde es langsam müde, aber er war verzweifelt genug, als letzten Trumpf einen Bluff einzusetzen. »Ich verstehe, Wally. Ihr wisst ja wahrscheinlich, dass Victoria diese Wolle nach Indien exportiert – ihr werdet also eine ganze Weile auf euer Geld warten müssen.«
»Davon hat sie uns nichts gesagt. Wir haben bei ihr noch nie gewartet.«
»Tja, es tut mir Leid, aber die Dinge haben sich eben geändert. Sie hat das Haus voller Gäste – Tara und die Kinder sind da, ihre Schwägerin, ein Galeriebesitzer aus Irland und nun auch noch eine Besucherin aus Alice.«
Einer der Männer stand auf. »Ich riskiere keinen sicher bezahlten Job auf MacDonalds Farm, wenn ich hier vielleicht monatelang auf mein Geld warten muss!«, sagte er. »Ich habe fünf Kinder zu ernähren, und uns drücken alle die Schulden.«
Unter den anderen Männern erhob sich zustimmendes Gemurmel. Ihre Schulden bestanden zum großen Teil aus Rückständen in Hotels, einschließlich des Wombat-Creek-Hotels, wo sie am vergangenen Abend einiges
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