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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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ihre Schultern sehr frisch aus. Das Tuch erinnerte Tara an die lebhaft gemusterten Schals der Zigeunerinnen. Außerdem hatte Lottie ihr Make-up ein wenig dezenter gehalten als üblich und ihre goldblonden Haare zu einer Turmfrisur hochgekämmt, sodass ihr Gesicht schmaler wirkte. Sie freute sichoffensichtlich sehr, unter Menschen zu sein, die sie ohne Vorurteile akzeptierten.
    »Es ist schlimm, dass ihr die Schafe jetzt eigenhändig scheren müsst«, sagte sie zu Tara.
    »Wir haben dir noch gar nicht dafür gedankt, dass du versucht hast, die Scherer ... zum Kommen zu überreden«, erwiderte Tara errötend.
    »Das hier ist ein bisschen wie Urlaub«, meinte Belle lachend. Tara stimmte dankbar mit ein, und der unbehagliche Moment war vorüber.
    »Ich habe Lottie gerade gesagt, dass ich die Idee mit dem ... Streik einfach grandios finde«, erklärte Victoria. »Es würde mich nicht überraschen, wenn ihr euch sogar in der Zeitung wieder findet.«
    »Meinst du?«, erwiderte Lottie. »Mir fiel nichts ein, was ich sonst hätte tun können. Ich hasse Ungerechtigkeit.« Plötzlich unsicher, fast wie bei ihrer ersten Begegnung mit Tara, fuhr sie fort: »Ich habe Victoria gefragt, ob wir für ein paar Tage hier bleiben können – hoffentlich hast du nichts dagegen, Tara?«
    »Natürlich nicht. Ich finde es einfach wundervoll!«
    Lottie wirkte überaus erleichtert. »Während der letzten beiden Tage haben ununterbrochen Männer an unsere Tür geklopft. Wir haben kaum geschlafen.« Damit allein wären sie zwar im Notfall zurechtgekommen. Aber Rex hatte Lottie von dem Boykott gegen Victorias Party wegen Taras Vergangenheit erzählt, und Lottie war der Meinung gewesen, ein wenig moralische Unterstützung könne ihnen nicht schaden. Tara sah zu ihrer Mutter hinüber, die im hinteren Teil des Raumes stand – Elsa wirkte alles andere als begeistert darüber, dass die Besucherinnen länger zu bleiben gedachten.
    »Wenn euch das Geschrei der Kakadus am frühen Morgen nicht stört, werdet ihr hier sicher gut schlafen«, meinte Tara. »Jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss baden und mich umziehen. Ich rieche wahrscheinlich schlimmer als Schafsmist.«
    »Du riechst lange nicht so schlimm wie Ferris Dunmores Füße an einem heißen Nachmittag«, sagte Lottie trocken, als sie den Raum verließ.
    »Gott sei Dank!«, rief sie lachend zurück.
    »Ich werde Hannah baden«, erklärte Elsa, nahm die Kleine an der Hand und führte sie hinaus. Jack war mit Riordan zu dem Waschraum hinter dem Haus gegangen, den die Männer benutzten.
    Tara war sicher, dass ihre Mutter nur einen Vorwand gesucht hatte, um den Raum zu verlassen. Als sie mit Hannah die Treppe hinaufgingen, fragte sie sie geradeheraus, ob etwas nicht stimme.
    »Nein, alles in Ordnung«, erwiderte Elsa.
    »Ist es wegen der Gäste?«
    Elsa schüttelte den Kopf. »Dies ist Victorias Haus, und sie kann einladen, wen immer sie mag.«
    »Dass Lottie und die Mädchen streiken, um uns zu helfen, ist einfach unglaublich, Mutter«, sagte Tara leise.
    »Ich weiß«, gab Elsa zurück. »Ich bin nur noch niemals in Gesellschaft solcher Frauen gewesen.«
    »Das hatte ich auch nicht angenommen«, sagte Tara trocken.
    »Ich weiß einfach nicht, wie ich mich ... verhalten oder was ich sagen soll.« Wenn Elsa ehrlich war, hatte sie mehr Angst davor, was die Frauen ihrerseits sagen und tun würden.
    Tara lächelte. »Du brauchst dich überhaupt nicht anders zu verhalten als sonst, Mutter. Sie sind ganz normale Frauen, und Lottie selbst ist eine der nettesten Menschen, die ich jemals kennen gelernt habe. An dem Tag, als ich zum ersten Mal nach Wombat Creek kam, habe ich sie besucht ...«
    »Aber Tara, warum um alles in der Welt bist du denn in ein ... Bordell gegangen?«, unterbrach Elsa sie schockiert.
    »Ich wusste nicht, dass Lotties Haus ein Bordell war. Außen gab es kein Schild, das darauf hingewiesen hätte. Und sogar nachdem ich schon eine Weile mit ihr gesprochen hatte, ahnte ichnicht, dass sie eine Prostituierte war, bis sie es mir sagte. Für mich war sie nur eine ganz normale Frau und eine mögliche Freundin in dieser Abgeschiedenheit. Aber selbst als ich es dann wusste, es hat mich nicht gestört – ich habe sie sofort gemocht. Sie ist stark, großzügig und rücksichtsvoll, und ich empfinde es als Ehre, sie zur Freundin zu haben. Du wirst sie auch mögen, wenn du sie erst richtig kennst!«
    Elsa war da nicht so sicher. »Was wirst du eigentlich heute Abend anziehen, Tara?«, fragte sie,

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