Der Ruf des Abendvogels Roman
ärgerte ihn, dass sie so viel Spaß zu haben schienen.
Kurz nach elf Uhr verließ Tara das Haus, um einen kurzen Spaziergang zu machen. Die Party war noch in vollem Gange, doch sie brauchte ein wenig Zeit für sich selbst. Langsam ging sie zwischen den Eukalyptusbäumen entlang, blickte zum Mond und zu den Sternen auf und dachte über Riordans Antrag nach. Obwohl er fast den ganzen Abend über mit Maddy getanzt hatte, hatte er immer wieder zu ihr hin geblickt und sie sehr eng an sich gezogen, wenn er mit ihr tanzte.
Sie mochte ihn – aber war das ein Grund, ihn gleich zu heiraten? Sie hatte schon einmal den Fehler gemacht, aus den falschen Gründen eine Ehe einzugehen, und sie wollte diesen Fehler nicht wiederholen.
»Was tust du denn so ganz allein hier draußen?«
Tara wandte sich überrascht um und stellte fest, dass Ethan direkt hinter ihr stand. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sie schon einige Minuten lang beobachtete. Sie trug ein rotes Kleid aus einem seidig schimmernden Stoff, der ihren Körper wie eine zweite Haut umschloss. Mit ihren zu einer Turmfrisur hochgekämmten Locken sah sie aus wie eine Königin, nicht ohne einen leisen Hauch von Exotik, und sie bot einen wahrhaft atemberaubenden Anblick.
»Ich brauchte nur etwas frische Luft. Seit wann bist du zurück?«
»Noch nicht lange.«
Seine noch feuchten Haare glitzerten im Mondlicht, und er roch angenehm nach Seife. Er besaß eine ungeheuer männliche Ausstrahlung, so stark wie kein anderer, dem sie je begegnet war. »Hast du die vermissten Kinder gefunden?«, erkundigte sie sich.
Ethan dachte, dass Tara das schönste Geschöpf war, das er je gesehen hatte. Ihre Züge waren wunderbar zart, und ihre Haut leuchtete im Mondschein wie Samt. »Ja«, erwiderte er, »und gerade noch rechtzeitig. Sie wären fast verdurstet – ich bezweifle, dass sie auch nur eine Stunde länger durchgehalten hätten.«
»Ihre Eltern waren dir sicher sehr dankbar.«
Ethan verzichtete auf eine Antwort. Lob machte ihn jedes Mal verlegen, besonders wenn er nur jemandem einen kleinen Gefallen getan hatte. Plötzlich fielen Tara Blueys Worte wieder ein, dass Ethan sich bei denjenigen Nachbarn rar machte, die sich gegen Victoria gewandt hatten.
»Bluey hat mir erzählt, du weigerst dich, den Leuten zu helfen, die sich gegen meine Tante gestellt haben. Sie weiß nichts davon, aber ich bin sicher, dass sie deine Loyalität sehr zu schätzen wüsste.«
Ethan schüttelte den Kopf. »Niemand hat das Recht, dich für das Leben zu verurteilen, das du in Irland geführt hast, Tara. Himmel, alle hier führen sich plötzlich auf wie kleine Heilige!«
Tara war überrascht, aber auch sehr froh darüber, dass dasVerhalten der Leute ihn so sehr zu stören schien – besonders da er absolut nichts über die Umstände wusste, die sie veranlasst hatten, sich den Zigeunern anzuschließen. Sie fühlte, wie ihr heiß wurde bei dem Gedanken an all das, was die Frauen an den Funkgeräten über sie gesagt hatten. »Es gibt nicht viele Menschen, die sich hinter jemanden wie mich stellen würden – besonders wenn sie ihn erst ein paar Wochen kennen.«
»Das kann ich nicht beurteilen – aber Lottie zum Beispiel hat es getan.«
»Ja, das hat sie – ich wusste in dem Moment, als ich sie zum ersten Mal sah, dass Lottie eine sehr warmherzige Frau und genau der Typ ist, jemanden wie mich zu verteidigen.« Tara erkannte plötzlich, dass Ethan genau das Gleiche getan hatte, ohne eine einzige Frage zu stellen, und das verblüffte sie maßlos. Er hörte nicht auf, sie zu überraschen. »Sie und die Mädchen sind hier, musst du wissen.« Sie versuchte, in der Dunkelheit seine Reaktion zu erkennen.
»Ach, ja?« Er lächelte. »Ich habe mich schon gefragt, wo sie wohl hin sind.«
Plötzlich hörte er boshaftes Gelächter und erkannte Maddys Stimme.
»Warst du bei Lotties Haus und hast sie vermisst?«, fragte Tara. Aus ihren Worten klang ein leichter Vorwurf, der Ethan offensichtlich amüsierte. Zumindest zog er einen seiner Mundwinkel leicht nach oben. »Nein, aber jeder im Umkreis von Hunderten von Meilen macht sich Gedanken darüber, wo sie sein könnten. Ich bezweifle, dass irgendjemand auf die Idee kommen würde, sie in Tambora zu vermuten. Ich habe es jedenfalls nicht getan.«
Tara wandte sich ab und bemühte sich um einen beiläufigen Ton. »Maddy hat fast den ganzen Abend über mit Riordan getanzt.« Sie war nicht eifersüchtig, Maddy hatte wirklich das Talent, einen Mann zu verzaubern,
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