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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Ihr Vater hatte sie auf die schlimmste Weise verraten, und das würde sie ihm niemals vergessen können.
    Riordan wandte sich jetzt vollständig um und musterte sie aufmerksam. Sie wünschte, er hätte es nicht getan, denn es war einfacher gewesen, zu seinem Rücken zu sprechen. Sie zwang sich zur Konzentration und ließ ihre Gedanken zurückwandern zu jener Nacht, zu dem Abend, als sie noch unschuldig gewesen war und viele gut aussehende junge Verehrer sich danach gedrängt hatten, all ihre Träume und Hoffnungen wahr werden zu lassen.
    »Ich hatte viel Spaß auf dem Fest ... Es war ein warmer Juniabend, der Himmel voller leuchtender Sterne. Draußen im Garten war eine Tanzfläche aufgebaut, die von brennenden Fackelnerleuchtet wurde. Die Luft war schwer von Blütenduft. Ich habe mit jedem der jungen Männer getanzt – ich tanze sehr gern.« Sie blickte auf und fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie erhob sich und ging hinüber zur Stirnseite des Raumes, wo sie vor einem Gemälde stehen blieb und Riordan den Rücken zuwandte. Sie wollte ihm nicht in die Augen sehen müssen, denn dann schien es ihr, als würde sie in seine Seele blicken – und das konnte sie nicht ertragen.
    »Dieses Fest erscheint mir jetzt fast unwirklich, so dumm und oberflächlich. Ich kann mir kaum noch vorstellen, wie es war, als ich keine größere Sorge hatte als die Frage, mit welchem jungen Mann ich als Nächstes tanzen sollte!« Besonders einer der Jungen war sehr aufdringlich geworden, Corey Gower – sie erinnerte sich noch lebhaft an sein seltsames Verhalten und seine verschwitzten Hände.
    »Ich wollte ein paar Minuten allein sein und ging zu den Ställen hinüber. Mein Hund hatte in einem der Ställe geschlafen und kam zu mir, um mich zu begrüßen. Wir wanderten oft zusammen auf der Farm herum, deshalb sprang er davon, und ich folgte ihm. Der Mond war fast voll, ich konnte den Hund ein Stück vor mir laufen sehen. Ich rief ihn, aber er muss ein Kaninchen entdeckt haben ...« Ihre Stimme verlor sich. Als Tara weitersprach, war sie sehr bemüht, die tiefen Gefühle nicht durchklingen zu lassen. Ihr Ton war ruhig und sachlich. »Ich wurde von hinten gepackt und vom Pfad herunter hinter eine Hecke gezerrt. Stanton hatte getrunken. Ich roch den Whiskey in seinem Atem, wie schon unzählige Male zuvor. Er sagte mir, er habe mich beobachtet, und ich hätte die Männer verrückt gemacht ... mich aufreizend bewegt ...« Plötzlich wurde ihr klar, dass sie genau das getan hatte, als sie für die Zigeuner tanzte – und Riordan merkte es auch.
    »Ich versuchte, mit ihm zu reden, ich bettelte sogar. Als das nichts half, rief ich um Hilfe, aber wir waren zu weit vom Haus entfernt, und die Musik war zu laut. Ich habe wirklich versucht, ihn davon abzubringen, aber ...«, ihre Stimme brach, als sie gegendie Übermacht der Gefühle ankämpfte, »... es ist mir nicht gelungen. Irgendwann ist Scully mir zu Hilfe gekommen. Ich glaube, Stanton hätte mich umgebracht, wenn Scully nicht gewesen wäre. Er lief fort, verfolgt von meinem Hund, und ließ mich verletzt und missbraucht in den Büschen zurück wie einen alten Lumpen. Ich rappelte mich auf und rannte blindlings in den Wald. Ich wusste nicht, wohin ich lief, ich wollte nur so weit wie möglich fort von diesem Ort.« Tara begann wieder, unruhig im Raum umherzulaufen, und zupfte fahrig an den Trägern ihrer kleinen Handtasche herum, als die Erinnerung sie wieder mit aller Macht überfiel.
    »Ich war vollkommen hysterisch, als ich im Zigeunerlager ankam. Ich weiß nicht, wer erschrockener war, sie oder ich – aber sie waren unglaublich nett. Ein paar von den Männern machten sich auf die Suche nach Stanton; ich war zu durcheinander, um ihnen auch nur die Andeutung einer Beschreibung zu geben, aber der Ausdruck in ihren Augen ließ mich fast Mitleid mit jedem empfinden, auf den sie stoßen würden. Garvie, der Zigeuner, den ich später heiratete, hat mich wie ein Kind getröstet. Er ging sehr sanft mit mir um, und ich fühlte mich sicher, obwohl ich doch voller Angst hätte sein müssen. Fast eine Stunde lang versuchte er mich davon zu überzeugen, dass ich zurückgehen und meinem Vater sagen müsste, was passiert war. Zuerst wollte ich nichts davon wissen, ich wollte nur immer weiter fortlaufen und niemals zurückblicken. Garvie reichte mir einen Schal von einer der Frauen, den ich mir um die Schultern legen konnte, und brachte mich bis in Sichtweite des Hauses. Die Gäste waren fort.

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