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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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noch etwas anderes auf der Seele lag. Ich habe ihre Familie ein wenig beobachtet, deshalb war ich mir sicher, was es war. Ich fragte sie also, ob sie glaube, dass ihr Mannihr untreu sei, was sie absolut verblüffte. Sie glaubte, ich hätte es in den Karten gelesen. Tatsächlich dachte sie, er hätte eine ›Bordromanze‹ mit dieser amerikanischen Erbin Lavinia Bliss. Lavinia ist jünger als Eleanor, aber ich finde sie ziemlich unattraktiv und man hätte viel weniger Schwierigkeiten mit ihr, wenn sie ihre Nase nicht immer so hoch tragen würde.«
    Maureen wirkte ratlos, unfähig, Lavinia einzuordnen.
    »Sie ist dir bestimmt im Speisesaal schon aufgefallen – sie trägt immer diesen lächerlichen Fuchspelz, sogar bei dieser Hitze.«
    Jetzt nickte Maureen und zog eine Grimasse.
    »Sie macht einen solchen Narren aus sich!«, fügte Tara schaudernd hinzu.
    »Und – hat Eleanors Mann wirklich etwas mit ihr?«
    »Absolut nicht. Die arme Eleanor war überglücklich, als ich ihr das sagte. Sie liebt Roddy wirklich.«
    »Und wie kannst du so sicher sein, dass er nicht untreu ist? War es in den Karten?«
    »Natürlich nicht, Maureen!« Tara war entschlossen abzustreiten, an was sie selbst nicht recht glauben konnte. Ihre Vorgefühle, das, was sie sah, wenn sie in die Zukunft anderer Menschen schaute, waren ganz gewiss nichts anderes als eben reine Gefühle, die sie ihrer Intuition zuschrieb. »Die Zigeuner haben mich gelehrt, genau zu beobachten – das ist ihr Geheimnis, weißt du? Es hat nichts mit Zaubertränken und Flüchen zu tun, oder damit, dass sie in die Zukunft sehen könnten. Sie beobachten und registrieren Gesten, Blicke, die Sprache des Körpers. Und das verrät ihnen alles. Roddy hat sich ein bisschen in Lavinia verschaut, weil sie stark geschminkt ist und den Männern auffällt. Das habe ich Eleanor natürlich nicht erzählt, aber sie braucht sich auch keine Sorgen zu machen. Lavinia hat einen ›dickeren Fisch‹ im Auge – sie hat es auf Theodore Radborn abgesehen, seit wir Irland verlassen haben. Angeblich hat er in den südafrikanischen Goldminen Millionen gemacht, sodass es Lavinia leichter fällt, seine unangenehme Art und seine exzentrischen Anwandlungen zu übersehen.«
    Maureen war sehr verwundert.
    »Hast du etwa noch nicht davon gehört? Ich dachte, jeder auf dem Schiff spricht über ihn.«
    Maureen schüttelte nur den Kopf.
    »Anscheinend hat er sehr seltsame Gewohnheiten ...«
    »Was um Himmels willen meinst du damit?«, fragte Maureen stirnrunzelnd.
    »Er trägt Hemden und Unterhosen nicht mehr als ein Mal.«
    Maureen starrte sie einen Moment verständnislos an. »Aber das ist doch ganz normal – ich muss Michael immer daran erinnern, seine Unterwäsche zu wechseln – er zieht sonst manchmal drei Tage hintereinander dieselbe Hose an.«
    »Das meine ich nicht«, erklärte Tara, die fand, dass Michaels persönliche Gewohnheiten sie nichts angingen. »Sogar wenn sie frisch gewaschen sind, zieht er sie nicht wieder an. Er wirft sie einfach weg!«
    »Was für eine furchtbare Verschwendung!«, stieß Maureen angewidert hervor.
    »Er hat angeblich eine ganze Schrankladung voll Unterwäsche dabeigehabt und trägt Handschuhe, wo immer er geht und steht. Die Crewmitglieder behaupten, er habe Angst, sich eine Krankheit zuzuziehen, und der Schiffsklatsch sagt, dass er aus einer sehr armen Familie stammt, in der die Kinder ihre Unterwäsche tragen mussten, bis sie ihnen in Fetzen vom Leib fiel – auch wenn das wahrscheinlich nicht stimmt. Wenn es aber zutrifft, muss man den armen Mann bemitleiden. Lavinia wird die Gerüchte sicher auch gehört haben, aber sie ist durch seinen Reichtum geblendet. Über sie wird nämlich erzählt, dass sie zwar viel geerbt hat, aber trotzdem fast ruiniert ist. Sie wirft das Geld zum Fenster hinaus, und auch wenn Theodore mit Geschenken an seine Gefährtinnen sehr großzügig ist, so geht er doch mit seinem Geld sehr vorsichtig um. Lavinia folgt ihm überallhin. In dieser Woche hat er sich in seine Kabine zurückgezogen und kommt überhaupt nicht mehr heraus. Er ist nicht krank, also geht er ihr aus dem Weg. Ich habe Eleanorvon Theodore erzählt, und sie war so glücklich, dass sie mir die ganze Welt geschenkt hätte. Ich hätte diesen Anhänger nicht annehmen dürfen – vielleicht sollte ich ihn ihr zurückgeben!«
    »Nein, das solltest du nicht. Ich erzähle allen, dass du Geld annimmst.«
    Tara seufzte. »Maureen, in diesen schlechten Zeiten hat niemand Geld

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