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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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wahrscheinlich auch. Aber wir haben so viel Spaß damit gehabt!«
    Tara blickte in Maureens etwas derbes, aber gütiges Gesicht, und fühlte warme Zuneigung in sich aufsteigen. Die Kabinengenossin war ihr eine sehr liebe Freundin geworden, und sie schätzte sie über alle Maßen. Auch Maureens Mann Michael war ein netter Mensch. Nicht im klassischen Sinne gut aussehend, sondern rothaarig und von eher kleiner Statur, mit eher unauffälligen Zügen. Doch auch er besaß eine innere Güte, die sehr anziehend wirkte. Tara hatte noch niemals zwei Menschen gesehen, die sich so innig liebten wie Maureen und Michael, und sie war fast ein wenig neidisch auf dieses feste Band, das unzerstörbar schien.
    Auch ihre beiden Kinder Jack und Hannah waren ganz reizend. Jack steckte voller lustiger Einfälle, ein richtiger Lausbub, der seine Mutter mit seinem schelmischen Lächeln um den Finger wickeln konnte. Hannah war ein bildhübsches kleines Mädchen mit blonden Locken und einem süßen Engelsgesicht. Ohne die O’Sullivans hätte Tara sich auf dem Schiff sehr einsam gefühlt. Maureen war die ideale Kabinengenossin, fröhlich und hilfsbereit, und sie versicherte immer wieder, dass sie mit Tara so vielSpaß hatte wie noch nie zuvor in ihrem Leben. In den zwei Monaten hatte sie so viele Menschen kennen gelernt!
    Viele der Passagiere kamen aus Irland, doch das Schiff hatte in Southampton einen Zwischenstopp eingelegt und noch sehr viel mehr Reisende an Bord genommen. Es war eine bunte Mischung aus Menschen aller Schichten, angefangen bei den einfachen Passagieren im Zwischendeck bis hin zu den wohlhabenden in der ersten Klasse. Erstaunlicherweise hatten Menschen aus allen Schichten Tara aufgesucht und bewunderten sie für ihr ›Talent‹. Wenn sie an all die Jahre in Irland dachte, in denen man ihr als ›Zigeunerin‹ nur Verachtung entgegengebracht hatte, schien ihr das alles immer noch unglaublich. Jetzt sah sie ihrer Zukunft mit neuem Mut entgegen, den sie bei ihrer Abreise aus Irland noch nicht gespürt hatte.
    Um neun Uhr an diesem Abend kam heftiger Wind auf, der das Schiff herumwarf und Regen auf die Decks peitschte. Der Kapitän teilte über die Lautsprecheranlage allen Passagieren mit, dass dies ein für die Saison untypisches Unwetter sei, die letzten Ausläufer eines Wirbelsturmes, der an der Westküste wüte. Der Wind türmte die See zu riesigen Wogen auf und warf die Emerald Star wie ein Papierschiffchen von einem Wellenkamm zum anderen. Der Sturm kam so plötzlich, dass man keine Sicherheitsvorkehrungen mehr treffen konnte, und war von solcher Heftigkeit, dass drei Automobile sich im Laderaum von ihren Ketten losrissen und durch ein Schott in die Mannschaftsquartiere brachen. An der Steuerbordseite des Schiffes bildeten sich sofort Risse, durch die Wasser in den Schiffsrumpf eindrang. Die Besatzung eilte an die Pumpen; den Passagieren wurde versichert, alles sei unter Kontrolle, doch dann leckten auch andere Schotts, und Wasser sickerte immer schneller durch die steuerbord gelegene Schiffswand. Zum Glück war der Sturm bereits nach ein paar Stunden vorüber, doch der Schaden blieb. Kapitän Mallory gab Order, wie geplant den Zielhafen anzusteuern, was sich im Nachhinein als großer Fehler herausstellen sollte. Er ließ das Schiff aufHöchstgeschwindigkeit beschleunigen. Überzeugt, dass sie sicher ankommen würden, legte er sich kurz nach Mitternacht schlafen, ohne einen SOS-Ruf gesendet zu haben, und gab Befehl, ihn nur im Fall einer weiteren Katastrophe zu wecken.
    Um drei Uhr fünfundzwanzig in dieser Nacht fiel dem Diensthabenden im Maschinenraum ein seltsamer Geruch auf.
    »Das kommt aus dem Belüftungssystem«, informierte der dritte Hilfsingenieur den Chefingenieur – und es handelte sich zweifellos um Rauch!
    »Schicken Sie einen Feuerwehrmann los – er soll sich gründlich umsehen«, befahl der Chefingenieur. »Ich alarmiere die Brücke.« Er wurde von dunklen Vorahnungen gepeinigt, doch er verdrängte seine Ängste. Im Stillen betete er jedoch, seine Befürchtung möge sich als unbegründet herausstellen.
    Schweißgebadet schreckte Tara aus tiefem Schlummer hoch. Sie hatte von einem Brand in einem der Packräume geträumt, und der Traum war so beklemmend real gewesen, dass sie kerzengerade in ihrer Koje saß und versuchte, den Albtraum zu verscheuchen. Nach einer Weile hatte sie sich wieder so weit beruhigt, dass sie hätte weiterschlafen können – doch jetzt nahm sie tatsächlich leichten Brandgeruch

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