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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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hatte, schwimmen zu lernen. Eines war sicher: Sie brauchte nicht zu fürchten, in diesem ›See‹ zu ertrinken. Weiter nördlich passierten sie den ›Lake Eyre North‹, eine noch viel größere Salzfläche, die sich über endlose Meilen erstreckte. Während der Zug weiter und weiter durch die Wüste fuhr und in eine unendliche Leere vorzudringen schien, fühlte Tara, wie ein Gefühl tiefer Mutlosigkeit sie überkam.
    Mittags fuhr der Zug in Wombat Creek ein, und Tara und die Kinder stiegen aus. Der Abschied von Sorrel war ihr schwer gefallen, aber die Freundin hatte versprochen, zu schreiben und Tara wissen zu lassen, wie sie in Alice zurechtkam. Die Hoffnung, in Kontakt zu bleiben, machte die Trennung leichter, und Tara versprach ihrerseits, Sorrel so oft wie möglich in Alice zu besuchen.
    Der Zug fuhr davon, und Tara und die Kinder standen allein in der seltsamen Stille. Vom staubigen Wind umweht beobachteten sie, wie die Wagenschlange in der Ferne kleiner und kleiner wurde. Als der Zug nicht mehr zu sehen war, drehten sie sich um und betrachteten die ›Stadt‹.
    Wombat Creek bestand aus einem kleinen, einstöckigen Hotel, dessen ganze Vorderfront mit Moskitonetzen verkleidet war, einem Geschäft und einigen winzigen Wohnhäusern, die ein Stück abseits standen. Sonst gab es absolut nichts. Außer einem einsamen Baum neben dem Hotel sah man keinerlei Vegetation im roten Sand ringsum, und nicht einmal das leiseste Anzeichen füreine Straße. Das ständige Surren der Buschfliegen durchbrach als einziges Geräusch die fast betäubende Stille, die sie umgab. Kein Vogel war zu sehen, keine einzige lebende Kreatur und schon gar kein menschliches Wesen.
    Tara hatte das Gefühl, als lege sich eine Decke tiefer Enttäuschung über sie, unter der sie kaum mehr atmen konnte, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie konnte ihre Tante nur an einem solch langweiligen Ort leben, Schafe und Rinder züchten? Wie konnte irgendeine lebende Seele, egal ob Mensch oder Tier, in dieser Trostlosigkeit existieren? Es kam ihr vor, als hätte sie das Ende der Welt erreicht.
    Weinend sank sie langsam zu Boden. Die Kinder beobachteten in hilflosem Schrecken, wie sie schluchzend zusammenbrach, unfähig zu sprechen oder eine Entscheidung zu treffen.
    In diesem Augenblick schien alles, was in den vergangenen Monaten geschehen war, über ihr zusammenzubrechen und sie in die Knie zu zwingen. Garvies Verhaftung und seine ungewisse Zukunft, der Ausstoß aus der Gemeinschaft der Zigeuner, der Verlust des Wohnwagens, des einzigen Heims, das sie lange Jahre über gekannt hatte; der Tod ihrer lieben Freunde, die die Eltern der Kinder gewesen waren ...
    Obwohl sie beschlossen hatte, sich um die Kinder zu kümmern, war sie doch nur ein schwacher Ersatz für deren Mutter und Vater. Und um alles noch schlimmer zu machen, fand sie sich jetzt an diesem Flecken wieder, der noch schlimmer war als Marree, etwas, das sie nicht für möglich gehalten hätte. Nachdem sie Wombat Creek gesehen hatte, mochte sie sich Tambora gar nicht mehr vorstellen!
    Das alles war zu viel für sie. Tara wünschte sich nach Irland zurück, zu den Wiesen voller Heideblüten, dem frischen Wind auf den Hügeln, den idyllischen Dörfern und dem kühlen, erfrischenden Regen. Was hätte sie in diesem Moment für den Anblick von richtigem, sattem Grün gegeben. Für das Gefühl von Regen auf ihrer Haut hätte sie ihre Seele verkauft. Mitgeschlossenen Augen versuchte sie sich Regentropfen vorzustellen und das erfrischende Prickeln der Morgenluft auf ihren Wangen. Doch es war unmöglich in der trockenen Hitze, die ihre Haut verbrannte.
    Tara öffnete die Augen wieder und starrte benommen auf die ausgedörrte Landschaft, über der die Luft flimmerte, während die Kinder stumm neben ihr standen. Trugbilder ließen sie schwindelig werden, durch den wirbelnden Staub meinte sie, die Umrisse von Gestalten zu sehen. Sie blinzelte: Die Gestalten schienen näher zu kommen. Rasch schloss sie die Augen wieder und betete insgeheim, alles um sie herum möge verschwinden.
    »Sind Sie verletzt, Madam? Brauchen Sie Hilfe?«, hörte sie eine tiefe, männliche Stimme fragen. Tara blickte auf und starrte geblendet ins helle Sonnenlicht. Ihre Augen brannten vor Tränen, und die erbarmungslosen Strahlen der Sonne verursachten ihr Kopfschmerzen. Blinzelnd meinte sie die Umrisse eines Mannes auf einem seltsamen Tier zu erkennen. Da sie jedoch niemanden hatte kommen hören, war sie sich ganz sicher, dass die

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