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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Morgenrock über.
    »Es tut mir Leid, wenn ich störe«, meinte Tara. »Ich habe Ihnen Ihre Küken mitgebracht.« Sie deutete vage in Richtung der Veranda.
    »Küken?«, wiederholte die Frau, und Tara überlegte, ob sie vielleicht gerade erst aufgewacht war.
    »Ja – sie stehen seit heute Morgen im Laden, und es ist so heiß ... Ich glaube, sie könnten etwas Wasser gebrauchen. Percy hat sich nicht um sie gekümmert ...«
    Als die Frau sie noch immer verständnislos anstarrte, begannTara zu glauben, die Tiere seien vielleicht gar nicht für Charlotte bestimmt. Vielleicht hatte es eine Verwechslung gegeben. »Es stand C. Preston auf einem Schild, das am Käfig befestigt war. Ich habe angenommen, sie gehörten Ihnen.«
    Charlottes Züge entspannten sich, und in ihren Augen leuchtete es auf. »Natürlich, die Küken, die ich in Adelaide bestellt hatte! Es tut mir Leid, Sie müssen mich für völlig zerstreut halten, aber es ist einfach schon Wochen her. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, sie noch zu bekommen, bei all den Engpässen ... Vielen Dank, dass Sie sie mir gebracht haben!« Verlegen strich sie sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich hatte sie als Ersatz bestellt. Die Schlangen haben alle Eier und Küken gestohlen, und die verdammten Dingos hatten es auf die Hühner abgesehen. Es waren gute Legehennen, und ich mag frische Eier sehr gern. Jetzt hat mir einer der Farmarbeiter einen umzäunten Auslauf gebaut, sodass die Dingos sie hoffentlich nicht mehr holen können. Von den Schlangen habe ich so viele geschossen, wie ich konnte, und sonst gibt es nicht viel, was man tun kann.«
    Taras Lächeln erstarb, und sie schauderte bei der Vorstellung, wie Charlotte die Schlangen erschoss, von denen Virgil erzählt hatte. Wenn sie selbst eine davon sah, würde sie so schnell wie möglich weglaufen. »Sie stehen vor der Tür. Soll ich sie holen?«
    »Nein ..., meine Liebe. Ich bringe sie gleich hinter das Haus.«
    Einen Augenblick lang starrten sie sich ratlos an, beide unsicher, was sie als Nächstes sagen sollten. Lottie fand zuerst die Sprache wieder. »Woher ... ähm, wussten Sie ...«
    Tara unterbrach sie: »Es tut mir Leid, Sie müssen sich längst fragen, wer ich bin. Ich heiße Tara Flynn und bin heute mit dem Zug hier angekommen.« Sie machte einen Schritt auf Charlotte zu und streckte ihr die Hand hin, die diese ohne zu zögern ergriff. Dabei registrierten ihre aufmerksamen Blicke Taras jugendlich straffe Haut, die noch nicht durch die brennende Sonne faltig und fleckig geworden war. Taras Haut war weich und glatt wieRosenblätter, und ihre mandelförmigen Augen strahlten in einem wunderschönen Smaragdgrün. Charlotte fand Tara aufregend schön und fühlte Wehmut und Trauer um ihre eigene vergangene Jugend und Schönheit in sich aufsteigen. »Ich bin Charlotte Preston. Die Leute hier nennen mich Lottie.«
    Tara fielen die großen, auffälligen Ringe auf, die Lotties Finger schmückten. Die Steine – Amethyste, Opale, Türkise und Perlen – schienen echt zu sein. »Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich einfach so hereingeplatzt bin, aber die Küken waren sozusagen ein Anlass, um Sie kennen zu lernen. Es ist so ... abgeschieden hier draußen ...«
    Lottie hörte aus Taras Worten ehrliche Freundlichkeit heraus, etwas, das ihr seit langer, langer Zeit bei keinem Fremden mehr so gegangen war. »Aber ich bitte Sie, es stört mich überhaupt nicht, meine Liebe. Entschuldigen Sie meine fehlenden Manieren. Bitte, setzen Sie sich doch!« Sie wies auf einen Lehnstuhl. »Ich habe einen ganz guten Weißwein – würden Sie mir bei einem Gläschen Gesellschaft leisten?« Sie wirkte plötzlich verlegen, fast schüchtern. »Wenn nicht, ist es natürlich ...«
    »Doch, das wäre wunderbar, wenn es Ihnen wirklich keine Mühe macht!«
    Einen flüchtigen Augenblick lang wirkte die Ältere regelrecht überwältigt. Tara hatte den Eindruck, als würde Charlotte nicht allzu viele Freunde besitzen. Vielleicht war sie auch nur selten unter Menschen, was ganz verständlich war, wenn man an die Umstände dachte, unter denen sie lebte. Tara musste wieder an die Haltung der Männer denken und fragte sich, warum sie diese Frau wie eine Ausgestoßene zu behandeln schienen.
    »Darauf habe ich jetzt wirklich Lust«, erklärte Lottie. »Ich trinke eigentlich immer abends noch etwas und schaue mir den Sonnenuntergang an.
    Tara stellte sich vor, wie sie allein in dem Schaukelstuhl auf ihrer Terrasse saß, umgeben von

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