Der Ruf des Abendvogels Roman
stolz, dich zur Freundin zu haben.« Damit wandte sie sich um und ging davon, während Lottie ihr nachstarrte.
Auf dem Weg zurück zum Hotel musste Tara an Maddy und Ethan denken. Es war ziemlich offensichtlich, dass Maddy bis über beide Ohren in den Kamelreiter verliebt war. IhreBemerkung darüber, dass sein ›Brandzeichen‹ eine Frau für jeden anderen verdarb, war eine Überraschung gewesen. Das konnte nur bedeuten, dass er ein guter Liebhaber war – etwas, das Tara sich nur schwer vorstellen konnte. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er noch für etwas anderes als Kamele und das Outback eine Leidenschaft entwickeln konnte. Andererseits hatte Madeline natürlich einige Erfahrungen auf diesem Gebiet und musste eigentlich in der Lage sein, gute von schlechten Liebhabern zu unterscheiden. Trotzdem konnte Tara sich nicht vorstellen, wie Ethan sich in Leidenschaft verlor. Sie errötete schon bei dem Gedanken, denn sie selbst kannte solch heiße Liebesspiele nur aus den Gesprächen der Zigeunerfrauen. Und nun überraschte sie sich selbst bei der Vorstellung von Ethan und Maddy in leidenschaftlicher Umarmung!
Als sie fast beim Hotel angekommen war, sah Tara Saladin an der Hinterseite mit dem Buggy, den Ethan repariert hatte, und sofort waren alle Gedanken an diesen und Maddy vergessen. Eine brennende Lampe stand neben dem Afghanen, denn es war schon ziemlich dunkel geworden. Um die Lampe herum schwirrten Tausende von fliegenden Insekten, kleinere und größere. Tara hörte das Klatschen ihrer harten Körper, als sie gegen die Laterne flogen.
Als Tara an Saladin vorbeiging, bemühte sie sich, ihn nicht anzusehen, doch sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, diesen Blick aus dunklen, glänzenden Augen in einem Gesicht, das wenig verriet. Plötzlich war sie ganz sicher, dass er die Eidechse ins Bad gesetzt hatte, und versuchte, das Gefühl niederzukämpfen, etwas Abstoßendes krabble über ihre Haut. Doch es gelang ihr nicht, und sie warf ihm einen eisigen Blick zu. Er schien den Sitz des offenen Buggys zu säubern. Seine Bewegungen waren kurz und kraftvoll, und aus jeder seiner Gesten sprach Feindseligkeit. Sie wünschte nichts mehr, als dass er nicht mit ihnen nach Tambora kommen möge, und schwor sich insgeheim, sich vor ihm in Acht zu nehmen.
Als Tara die Bar betrat, saßen die Männer vor vollen Gläsernund unterhielten sich. Sie war sich sicher, dass sich das Gespräch um ihren Besuch bei Lottie drehte, denn als sie Tara kommen hörten, verstummten sie.
Genau wie draußen brannte auch hier eine Lampe, die von Tausenden blind umherschwirrender Motten belagert wurde. Tara sah kleine Eidechsen auf ihren saugnapfartigen Füßen die Wände hoch laufen und stellte zum ersten Mal fest, dass es in der Bar einen Kamin gab. Als sie sich fragte, was er wohl für eine Funktion haben mochte, fiel ihr wieder ein, dass die Temperaturen im Winter hier bis auf null Grad fallen konnten.
»Guten Abend«, rief sie fröhlich, und der Anblick von Ethan brachte das Bild von ihm und Maddy in enger Umarmung zurück. Nur mit großer Mühe gelang es ihr, es aus ihren Gedanken zu verbannen. Die drei Männer blickten ihr forschend entgegen. Tara spürte ihre Spannung und beschloss, sie zu enttäuschen. »Schlafen die Kinder schon?«, fragte sie.
»Ja«, erwiderte Ethan.
»Dann werde ich auch schlafen gehen, denke ich. Wir haben morgen einen langen Weg vor uns. Gute Nacht allerseits.« Sie wandte sich zum Gehen, erwartete jedoch, dass sie nicht weit kommen würde, bevor sich irgendeiner von den Männern nach ihrem Besuch erkundigte; und sie behielt Recht.
»Wie geht es Charlotte?«, fragte Ethan.
Tara wandte sich um. »Sehr gut. Sie ist wirklich nett. Ich bin froh, dass ich sie besuchen gegangen bin.«
Sie sah, dass die Männer verwunderte Blicke tauschten.
»Maddy und Belle habe ich auch kennen gelernt.« Jetzt blickte Tara Ethan direkt an. »Ich hatte den Eindruck, dass Maddy heute Abend noch auf Ihren Besuch hofft, Ethan.«
Wie erwartet wirkte er einigermaßen verunsichert. Und wieder fragte sich Tara, was Maddy an ihm finden konnte. Er war so rau und ungehobelt, als gehöre er nicht in ein Haus, sondern an ein Lagerfeuer. Allerdings hatte Garvie auch Jahre an einem Lagerfeuer zugebracht, und doch war er so anders als Ethan! Abendshatte er mit seinen magischen Händen Gitarre gespielt, und das und seine fast poetische Sprache hatten ihn kultiviert erscheinen lassen. Seine Worte waren immer sanft und tröstend gewesen, und
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