Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
erschien dort ein Licht. Das war vorher nicht da gewesen – es wäre mir doch aufgefallen, während ich draußen gewesen war. Das war gerade erst entzündet worden. Ich krabbelte ans Fußende des Bettes und schob den Vorhang hastig beiseite. Unten hörte ich, wie Sabine sich im Schlaf herumwälzte, dann begann sie, tief und gleichmäßig zu atmen. Ich lehnte mich vor und konnte jetzt einen Schatten ausmachen. Da stand jemand am Fenster des Nachbarhauses. Aber bevor ich noch irgendwelche Einzelheiten erkennen konnte, ging das Licht auch schon wieder aus. Ich starrte das dunkle Fenster an und wartete, unfähig mich zu bewegen. Nach mehreren langen Minuten schlüpfte ich endlich wieder unter die Decke und wickelte mich fest darin ein.
5
Ist hier alles okay?
I rgendwann war ich dann wohl doch eingedöst, von erholsamem Schlaf konnte allerdings keine Rede sein. Es war eher eine Reihe von Albträumen, allerdings entstammten sie dem wahren Leben: Hinter meiner Stirn spielten sich in Endlosschleife all die furchtbaren Szenen ab, die ich während meines ersten Engeltests durchlebt hatte. Jeder einzelne Moment – und davon gab es so einige –, in dem ich dem Tod nur knapp entronnen war. Jede Vergiftung, jede Stichflamme, die man mir entgegengeschleudert hatte, jede dieser schönen und bösen Kreaturen, gegen die ich gekämpft hatte. Noch immer konnte ich spüren, wie ihre brennenden Klauen sich in meine Haut schlugen. Und mein Herz erinnerte sich nur zu gut daran, wie es gerast war, als eine Bande von ihnen sich in mein Schlafzimmer geschlichen hatte, um mich anzugreifen. In diesem Moment schlug ich endlich die Augen auf. Ich sah auf meinen Wecker: fast fünf Uhr. Draußen war der Himmel noch immer pechschwarz, nur ein schmaler Streifen Nachtblau war am Horizont zu erkennen. Sabine schlief friedlich. Da es immer noch zu dunkel zum Lesen war, griff ich nach dem Buch auf meinem Nachttisch, stieg die Leiter hinunter und verließ in meinem Kittel leise den Raum, ohne mich vorher umzuziehen.
Die völlige Leere und Stille im Flur beruhigten meine angeschlagenen Nerven nicht gerade. Als ich um die Ecke bog, hörte ich aber leise Besteck klappern und vernahm das schmatzende Geräusch eines Kühlschranks, der geöffnet wurde. Ich strich mir übers Haar und steckte den Kopf um die Ecke zur Küche, um die in diesem Moment gerade Connor bog.
»Ho!«, rief er erschrocken aus. Beinahe hätte er die Zweiliterflasche Diätlimo unter seinem Arm, die dampfende Schüssel mit Asianudeln und den Apfel in seiner Hand fallen lassen.
»Sorry. Hi«, sagte ich. Jetzt bereute ich, dass ich mich nicht angezogen hatte. Connor sah auch nicht viel frischer aus, das zerzauste Haar, die schweren Lider, die Fußballshorts und das Uni-T-Shirt mit dem kaputten Ärmel standen ihm aber gut.
»Haven. Hey, ich hatte eigentlich nicht erwartet, hier so früh jemanden anzutreffen. Ich muss bald eine Hausarbeit abgeben. Was ist deine Entschuldigung?« Er biss in den Apfel.
»Na ja, ich stecke einfach nur mitten in einem guten Buch.« Ich hielt es hoch. Das hätte ja auch stimmen können.
»Ich mag Frauen, die früh aufstehen, um Zeit zum Lesen zu haben. Weißt du, das sagt so einiges über dich!« Er nickte anerkennend. »Ich wusste schon, was ich tue, als ich dich im Krankenhaus angeworben habe.«
»Ja, wahrscheinlich«, nickte ich. Ich musste daran denken, dass er Sabine auf ähnliche Weise rekrutiert hatte, sagte dazu aber nichts.
»Egal, mach es dir einfach gemütlich. Und sag Bescheid, wenn du irgendwas brauchst.« Er winkte zum Abschied mit dem Apfel.
Ich lehnte mich an den Küchentresen, dachte kurz nach und rief dann: »Connor?«
Er schaute noch einmal um die Ecke.
Ich tat mein Bestes, um möglichst locker zu klingen: »Also, was hat es eigentlich mit dem Haus nebenan auf sich?«
»Ah, das Spukhaus?«, fragte er bedeutungsschwer. »Die LaLaurie-Villa?« Ich nickte, und er zuckte mit den Achseln. »Wer weiß. Die Touristen finden diese Geistergeschichten natürlich toll, aber das ist nur gut vermarktete Folklore. Darüber musst du dir keine Sorgen machen.«
»Nee, klar, das weiß ich schon«, beteuerte ich und versuchte angestrengt, ganz cool zu klingen. »Das Haus steht also leer?«
»Im Moment ja. Aber es wird bald wieder hergerichtet. Einige von euch werden bei der Renovierung mithelfen, das gehört zu unseren Gruppenprojekten.«
»Okay. Danke.«
»Wir treffen uns um neun!«, rief er mir jetzt noch einmal in Erinnerung, dann schlenderte
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