Der Ruf des Kolibris
Vertrauen getäuscht hast? Ganz verblödet sind wir ja nun auch nicht, Jasmin. Wir wollten dir die Besuche bei Clara nicht verbieten, aber wir hätten schon gedacht, dass du dich an unsere Abmachung hältst und uns mitteilst, wenn du dich dort mit Damián triffst.«
»Ich habe mich dort nicht mit Damián getroffen«, sagte ich.
»Wo dann?«
»Gar nicht! Was soll das überhaupt? Ich habe doch schon gesagt, dass es aus ist. Was soll ich denn noch sagen, damit ihr mir glaubt?«
»Bitte, du musst uns verstehen«, sagte mein Vater. »Wir machen uns Sorgen, dass du in etwas hineingeraten könntest, was du alleine nicht bewältigen kannst.«
»In was denn?« Meine Stimme zitterte, ich hörte es selbst. »In was sollte ich hineingeraten?«
»Mein liebes Kind«, sagte meine Mutter, »für wie naiv hältst du uns eigentlich? Du willst uns doch nicht weismachen, dass du nicht wüsstest, dass dieser Damián und seine feine Sippe für die Entführung von Susanne Schuster verantwortlich sind.«
Ich schluckte mächtig. »Wieso ... wer sagt das?«
Meine Eltern blickten sich an. »Die Polizei war bei uns«, sagte mein Vater schlicht.
Das also war es. »Wann?«
Es war die sinnloseste Frage, die ich stellen konnte, aber ich konnte nicht mehr klar denken. Hatte Elena geplaudert? Oder vielleicht doch der Professor? Ich versuchte mich zu erinnern, was ich ihm erzählt hatte. Ich hatte ihm nicht gesagt, dass ich den Aufenthaltsort der Geisel kannte. Nein, Graham Torres y Torres hatte selbst die Rede auf Susanne Schuster gebracht, nachdem wir auf der Karte das Schwarze Wasser gefunden hatten. Er hatte, daran erinnerte ich mich auch, mit eigenartiger Bitterkeit betont, dass er Susanne Schuster gut gekannt habe. Ich Trottel! Ich Hornochse, ich hatte mich wirklich total blond verhalten.
»Am Freitagabend«, antwortete meine Mutter.
»Warum habt ihr mich nicht angerufen?«, fragte ich aufgebracht.
»Warum hätten wir sollen?«, erkundigte sich mein Vater mit wachsamer Miene. »Warum wäre das so wichtig gewesen?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Zumindest hätte ich Damián warnen können.
»Wozu hätten wir dich informieren sollen?«, hakte meine Vater nach. »Was für Konsequenzen hätte das denn für dich auf dieser Reise gehabt?«
Dachte er etwa, ich wäre dann gleich mit Damián davongelaufen? Was sollte ich sagen? Am Ende hatte er sogar recht.
»Was ... was wollte die Polizei denn von mir?«, stammelte ich die einzig sinnvolle Frage, die sich stellte.
»Nun ...«, sagte mein Vater gedehnt und lehnte sich zurück. »Offenbar weißt du etwas über den Aufenthaltsort der Geisel. Und ich kann dir verraten, Jasmin, es war ziemlich peinlich, dass wir als deine Eltern wie die Idioten dastanden und keine Ahnung hatten, was unsere Tochter so treibt, mit wem sie sich abgibt und wen sie deckt!«
»Von der Polizei mussten wir erfahren«, brach es aus meiner Mutter heraus, »dass du mit Geiselnehmern und Mördern gemeinsame Sache machst und ...« Sie brach in Tränen aus.
»Das ist doch total bescheuert!«, schrie ich. »Das ist ...«
Mein Vater hob die Hand. »Ich habe durchaus begriffen, Jasmin«, sagte er mit erzwungener Ruhe, »dass du kein Vertrauen zu uns hast ...«
»Ist das ein Wunder«, keifte es aus mir heraus, obwohl ich es gar nicht wollte, »wenn ihr mein Glück zerstört!«
»Hör doch auf mit diesem kindischen Geschwätz!«, schluchzte meine Mutter. Sie schnäuzte sich die Nase und blickte mich aus roten Augen an. »Was für ein Glück soll das denn bitte schön sein? Mit einem Mörder durch den Dschungel zu ziehen? Ich bitte dich, du hast doch wirklich einen Knall!«
»Damián ist kein Mörder!«, schrie ich.
»Was denn sonst?«
»Woher wollt ihr das denn wissen? Ihr kennt ihn doch gar nicht.«
»Aber du kennst ihn, ja?«
»Ja!«, sagte ich aufgebracht.
Meine Mutter lachte entrüstet. »Wenn du ihn so gut kennst, dann erklär uns doch bitte mal, warum die Polizei hier bei uns aufkreuzt und uns fragt, wo du steckst und was du über das Schicksal der deutschen Geisel weißt? Und weiß Gott, Jasmin, wir waren uns auf einmal gar nicht mehr sicher, ob du von deiner Reise nach Tierradentro überhaupt wieder zurückkommst.«
Auf einmal taten sie mir leid. Ich dachte wieder an Felicity: Sie verstehen dich nicht mehr. Ich ermahnte mich zur Geduld. Aber gleichzeitig begann mein Herz zu klopfen, als mir eine neue Gefahr bewusst wurde. »Und was habt ihr der Polizei erzählt?«
»Was hätten wir
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