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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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durch die Dämmerung zurück zu ihrem Zelt gingen.
    »Ich muss Purlimil bei dem Abendessen helfen«, brach Emma das Schweigen.
    Er nickte kurz, sah sie jedoch nicht an.
    »Carl«, sagte Emma vorsichtig. »Ich weiß, dass du Angst um mich hast, und das ist auch richtig so. Aber weißt du, ich möchte wirklich gerne an diesen Vorbereitungen teilnehmen. Wenn ich ablehne, werden die Schwarzen mich kein zweites Mal fragen. Überleg doch mal, wir werden viel tiefere Einblicke bekommen als sonst, in den Bereich ihrer Religion, ihrer Mythen … in Glaubenswelten, die Uneingeweihten normalerweise auf immer verschlossen bleiben!«
    Carl schwieg eisern.
    Emma legte ihm die Hand auf den Arm, blieb stehen und zwang ihn so, sich ihr zuzuwenden.
    »Carl, bitte. Denk an das Narbenritual. Wie zornig sie alle waren, dass wir überhaupt etwas davon mitbekommen haben!« Sie suchte seinen Blick. »Und jetzt darf ich ganz offiziell den Vorbereitungen auf ein Frauenritual beiwohnen – und soll ablehnen? Wie könnte ich das, wenn ich meine Arbeit als Forscherin ernst nehme?« Emma legte ihre Hände um Carls Gesicht, fühlte seine Bartstoppeln an der weichen Haut ihrer Handflächen. »Mir wird nichts geschehen, Liebster.«
    Sehr sanft, um die Schärfe ihrer Worte abzumildern, fügte sie hinzu: »Und außerdem treffe ich meine Entscheidungen immer noch selbst. Das weißt du doch.«
    »Ich sag’s ja: Amazone!«, knurrte Carl. Doch dann zog er sie abrupt an sich und umfing sie in einer festen Umarmung.
    Aufatmend schmiegte sie sich an seine Brust.
    Sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Carl würde sich ihr in dieser Sache nicht mehr in den Weg stellen, obwohl er nach wie vor Angst um sie hatte.
    Es hat definitiv seine Vorteile, dachte Emma mit einem leisen Gefühl des Triumphes, wenn man dem eigenen Ehemann als Amazone gilt.

7
    DEZEMBER 1859
    T ag für Tag stiegen die Temperaturen.
    Zwar war das Klima auf der Main Range erträglicher als auf den Ebenen um Brisbane herum, auf denen Emma und Carl den Dezember des vergangenen Jahres verbracht hatten. Doch auch hier im Regenwald war die warme Jahreszeit eindeutig heißer als jeder Sommer, den Emma in ihrer deutschen Heimat erlebt hatte.
    Sie verbrachte die schweißtreibenden, von sintflutartigen Regengüssen unterbrochenen Hochsommertage wie geplant mit den langwierigen Vorbereitungen auf das Frauenritual. Es sollte laut Purlimil schon bald stattfinden, wobei »bald« hier ein dehnbarer Begriff war und morgen, in zwei Wochen oder im nächsten Monat bedeuten konnte. Immerhin wollten die Frauen das Ritual auf jeden Fall vor der Geburt von Purlimils Baby abhalten.
    Der Größe von Purlimils Bauch nach zu urteilen, hätte das Kind schon längst da sein müssen, fand Emma. Sie staunte täglich mehr darüber, wie die Freundin sich überhaupt noch bewegen, geschweige denn auf dem Boden hocken und kochen, Samen zerstampfen oder nach Insekten graben konnte. Eine deutsche Frau in diesem Zustand wäre gar nicht mehr aus dem Haus gegangen, Purlimil jedoch verhielt sich, als sei es das Normalste der Welt, eine enorm große, nackte Kugel mit sich herumzuschleppen.
    Nun, vielleicht war es das ja auch, dachte Emma jetzt und lächelte Purlimil zu.
    Die Freundinnen saßen mit einigen weiteren Frauen in der Mittagshitze am Bach, mischten fette Farbe an und bemalten damit lange, gerade gewachsene Stöcke für das Ritual. Den weißen und roten Ocker, der für diese Arbeit benötigt wurde, hatten die Frauen im Tausch von dem Wasserfall-Clan bekommen.
    Emma wusste, dass es den Eingeborenen zwar fremd war, Besitz anzuhäufen. Mit Farben, Grabgeräten, scharfen Steinen oder Waffen wurde aber durchaus gehandelt, auch wenn kein Geld im Spiel war.
    Emma tunkte den dürren Zweig, der ihr als Pinsel diente, in die weiße Paste. Dann trug sie sorgfältig ein weiteres verschlungenes Muster auf ihrem Stock auf. Das war gar nicht so einfach, denn erstens fand Emma es viel anspruchsvoller, Muster auf einen unebenen Stock zu malen als auf schönes, glattes Papier, und zweitens musste das Ornament am Ende exakt so aussehen wie die Ornamente auf den Stöcken der Schwarzen. Die kleinste Abweichung würde den ganzen Stecken, an dem sie schon so lange arbeitete, unbrauchbar machen. Emma runzelte konzentriert die Stirn. Während sie sorgfältig weitermalte, fragte sie sich, worum es bei dem Ritual wohl ging, in das sie selbst laut Birwain verwickelt würde.
    Viel hatte sie bisher nicht herausbekommen. Purlimil hatte ihr lediglich

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