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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Hinsicht eine Wilde war? Jetzt, im Babyalter, würde sie herumgetragen wie ein Äffchen; später würde sie die fast grenzenlose Freiheit genießen, die Kleinkindern hier zugestanden wurde; und noch später würde sie lernen, nach fetten Maden zu graben, anstatt wie weiße Kinder die Schulbank zu drücken.
    »Das alles ist ja schön und gut, falls Belle sich entschließt, beim Clan zu bleiben«, hatte Carl gesagt. »Aber was ist, wenn sie sich uns so sehr verbunden fühlt, dass sie bei uns leben will, auch wenn wir den Regenwald verlassen?« Sorgenvoll hatte er den Kopf geschüttelt. »Ist dir klar, Emma, wie unendlich schwer deine Tochter es in der Welt der Weißen haben wird, wenn sie nicht nur äußerlich, sondern auch vom Benehmen her eine Eingeborene ist?«
    Darauf hatte Emma, die spürte, dass ihr Mann nicht ganz unrecht hatte, keine Antwort gewusst. Stattdessen hatte sie, dünnhäutig wie sonst nie, angefangen zu weinen. Emma schämte sich, als sie sich daran erinnerte, wie lange Carl sie in den Armen hatte halten müssen, bis ihre Schluchzer endlich abgeebbt waren.
    Dass es sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch so sehr mitnehmen würde, mehrmals pro Nacht aufzustehen und mit Belle zu Purlimil zu gehen, hatte sie nicht erwartet. Schlafen … Hatte sie den Genuss, sieben Stunden am Stück schlafen zu können, eigentlich je angemessen gewürdigt?
    Würde sie jemals wieder ausschlafen können?
    »Reiß dich zusammen, Emma«, knurrte sie sich selbst an. »Du bist nicht die erste Frau auf der Welt, die sich um ein Baby kümmern muss!«
    Aber möglicherweise war sie die erste, von der erwartet wurde, dass sie ein schwarzes Baby aufzog, als sei es ein weißes. Mitten im Regenwald, umgeben von schwarzen, weißen und papiernen Besserwissern. Heilandsack!
    Sie bemühte sich, die ungerechten Gedanken ebenso wie die lästerlichen heimatlichen Flüche zurückzudrängen, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Baby. Belle war endlich fertig gewickelt, und Emma betrachtete stirnrunzelnd die Windel und fragte sich, ob sie wohl halten würde. Mit den gekauften Windeln ging das Wickeln zwar leichter, aber da Emma keine Stecknadeln besaß, lösten sich auch die Stoffbahnen gerne mal von selbst, zumal Belle keine stützende Kleidung über der Windel trug. Emma kam es immer noch seltsam vor, ihr Baby nicht anzuziehen, aber kein Kind des Clans trug Kleidung, zumal bei der andauernden Hitze.
    Ob sie Belle trotzdem an das Gefühl von Stoff auf ihrer Haut gewöhnen sollte? Was Carl wohl dazu meinte? Sie würde ihn fragen. Oder nein, doch lieber nicht. Bestimmt würde er ihr bloß erklären, dass es bisher völlig falsch von ihr gewesen sei, die zarte Babyhaut frischer Luft und sengender Sonne auszusetzen. Emma machte ja sowieso alles falsch. Und Carl wusste stets, wie es besser ginge.
    Emma wurde sauer, Belles Geschrei immer verzweifelter.
    Herrje, was plagte das Baby bloß? Jetzt war es doch frisch und sauber, sollte es da nicht zufrieden sein? Oder war es schon wieder hungrig? Musste Emma es zu Purlimil bringen? Sollte sie es herumtragen, um es zu beruhigen? Oder waren dies bereits die ersten Anzeichen von Verwöhnung, vor der Dr. von Ammon stets warnte? Dann wäre es höchste Zeit, dass Emma das Baby so lange schreien ließ, bis es sich, nach des Leibarztes Worten, ausgeschrien habe. Somit hätte Emma sich als Herrin des Babys durchgesetzt und seinen Willen gebrochen.
    Eine schreckliche Vorstellung.
    Aber dieses ständige Geschrei war ebenfalls schrecklich.
    Verflucht noch mal!
    Die Unsicherheit, die sie begleitete, seit Belle zu ihr und Carl gehörte, wurde zu einer dunklen Woge der Verzweiflung, und für den Bruchteil einer Sekunde fragte Emma sich, ob ihre Entscheidung für Belle richtig gewesen war.
    Sie verwarf den erschreckenden Gedanken auf der Stelle und nahm Belle auf den Arm. »Komm, ich bringe dich zu Purlimil. Du hast Hunger, nicht wahr? Ja, ganz gewiss hast du Hunger. Du musst trinken, dann geht es dir wieder gut. Und mir auch. Uns allen.«
    Mit Belle auf dem Arm verließ Emma das Zelt und ging zur Hütte ihrer Freundin, aus der kaum ein Laut drang. Brüllte Gelar eigentlich nie? Er war schließlich auch ein Baby! Tränen schossen Emma in die Augen, als sie die friedliche Ruhe, die über Purlimils und Yileens Hütte lag, mit der Lautstärke verglich, die üblicherweise in ihrem eigenen Zelt herrschte.
    Was machte sie bloß falsch?
    Zu dieser Frage hätte Dr. von Ammon ihr bestimmt eine Menge zu

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