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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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stieß sich den Kopf an einer mächtigen, freiliegenden Wurzel. Benommen blieb sie auf dem Rücken liegen. Sterne tanzten vor ihren Augen, die Lianen und Blätter hoch über ihr drehten sich wie ein grünes, sonnendurchflutetes Wagenrad. Nicht ohnmächtig werden, wehte es durch ihren Kopf, du musst Carl suchen, er braucht dich …
    Sie rappelte sich auf, die Handfläche auf die schmerzende Stelle an ihrer Schläfe gepresst. Sie musste weitersuchen, koste es, was es wolle. Sie würde so lange weitersuchen, bis sie Carl gefunden hatte, und wenn es Tage dauern würde.
    »Emma! Was ist passiert?« Yileens besorgtes Gesicht tauchte neben ihr auf. Er deutete mit dem Finger auf ihren Kopf. »Du blutest.«
    Sie winkte mit der freien Hand ab. »Ist nichts Schlimmes. Hast du Carl gefunden?«
    »Nein.«
    »Und einer der anderen Männer?«
    Sie ahnte die Antwort, doch als Yileen erneut verneinte, hatte Emma trotzdem das Gefühl, als würde etwas in ihr absterben; ein weiteres Stück Hoffnung.
    Sie schluckte und drängte die Tränen zurück. Mit dem Finger wies sie ins Dickicht neben sich. »Dann gehe ich jetzt dort entlang. Ich glaube, da war ich noch nicht.«
    In Wahrheit hatte sie keine Ahnung mehr, wo sie war. Längst hatte sie sich rettungslos verlaufen, was sie aber nicht kümmerte, weil sie wusste, dass die Eingeborenen den Regenwald in- und auswendig kannten. Die anderen Sucher würden Emma immer und überall finden, egal, wohin sie ging.
    Und das bedeutet, folgerte ihr Verstand gnadenlos, dass sie auch Carl immer und überall finden müssten, tot oder lebendig. Wenn sie ihn nicht finden, ist er nicht mehr da. So einfach ist das.
    Die Wunde an ihrem Kopf pochte, warmes Blut rann ihr über die Finger und den Arm entlang. Yileen sah ihr in die Augen, und als sie an seinem Blick erkannte, dass er die Suche aufgeben wollte, übermannte sie die Verzweiflung.
    »Wo kann er nur sein?«, fragte sie erstickt. »Er hat doch nichts dabei, keine Nahrung, kein Wasser … nicht einmal sein Gewehr! Er kann doch nicht so weit gelaufen sein, oder? Ach, Yileen, er wird verhungern, wenn wir ihn nicht finden!«
    Ihr Freund machte eine weit ausholende Armbewegung. »An Nahrung und Wasser zu kommen ist im Regenwald kein Problem. Das sollte auch Carl hinkriegen, nachdem er so viele Monde bei uns gelebt hat.«
    »Aber … aber wohin sollte er denn wollen?«
    »Wenn überhaupt ein Mensch die Antwort auf diese Frage wissen kann, dann du«, sagte Yileen und seufzte. »Komm.«
    »Wohin? Hast du eine Idee? Wo sollen wir suchen, Yileen?«
    Er antwortete nicht, sondern setzte sich nur stumm in Gang.
    »Yileen!«
    Das Flehen in ihrer Stimme veranlasste ihn dazu, ihr einen Blick über die Schulter zuzuwerfen, doch er blieb nicht stehen. »Komm mit ins Lager, Emma. Wir werden den Rat der Ältesten befragen. Sie werden wissen, was zu tun ist.«
    »Was? Ihr wollt die Suche abbrechen? Das geht nicht! Wenn Carl hier irgendwo … wir können doch nicht einfach …«
    Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, vermischten sich mit dem Blut aus ihrer Schläfenwunde und sammelten sich in ihrem Mundwinkel, eine widerliche, warme Mischung aus Salz und Metall. Sie stolperte hinter Yileen her, schluchzend und darum bettelnd, dass er weitersuchen möge, doch er antwortete ihr nicht mehr. Irgendwann weinte sie nur noch still vor sich hin, zu erschöpft, um sich weiter gegen die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen aufzulehnen.
    Vielleicht war Yileens Vorhaben ja auch gar nicht so schlecht, versuchte sie sich müde einzureden. Sie gaben die Suche nach Carl schließlich nicht auf, sondern unterbrachen sie lediglich. Emma würde ein wenig schlafen, essen und dem Rat der weisen Ältesten zuhören, denn vielleicht hatten Birwain, Gunur und Dayindi ja tatsächlich eine Idee, wie und wo sie suchen musste, um mehr Erfolg zu haben. Danach würde sie erneut mit den Schwarzen losziehen oder, wenn niemand ihr mehr helfen wollte, eben allein.
    Orlando!, blitzte es in Emmas Gedanken auf, und schlagartig verschwand ihre Müdigkeit. Wenn Carl nun sein Pferd genommen hatte? Fanden sie ihn nur deshalb nicht, weil sie im falschen Gebiet suchten?
    Natürlich! Er hat Orlando geholt, um sich nach unserem Streit bei einem wilden Ritt abzureagieren.
    Wenn dem so war, dann musste Emma den Regenwald verlassen und ihre Suche auf den Eukalyptuswald ausdehnen … auf die gebirgigen Regionen unterhalb des Scrub  … sie musste ihre Stute Princess holen und überall dorthin reiten, wo man zu

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