Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Mutter zu sprechen. Ich nehme an, sie hat der Polizei gegenüber seine Anwesenheit bestätigt?«
»Ich denke doch. Ja, ich glaube schon.«
»Aber sicher sind Sie sich nicht?«
»Ich glaube nicht, dass wir je darüber gesprochen haben. Mutter war noch benommen und hatte starke Schmerzen; sie hat den größten Teil des Tages verschlafen. Und am nächsten Morgen erfuhren wir das von Lula …«
»Aber Sie fanden es nicht befremdlich, dass Tony nicht ins Arbeitszimmer kam, um mit Ihnen zu sprechen?«
»Überhaupt nicht«, sagte Bristow. »Er war miserabel gelaunt, weil ihm die Geschichte mit Conway Oates auf den Magen geschlagen war. Es hätte mich wirklich sehr überrascht, wenn er zum Plaudern aufgelegt gewesen wäre.«
»John, ich will Ihnen keine Angst einjagen, aber ich glaube, dass Sie und auch Ihre Mutter in Gefahr sein könnten.«
Bristows kurzes, meckerndes Lachen klang dünn und wenig überzeugend. Strike sah, wie Alison in einiger Entfernung vor ihnen mit verschränkten Armen zu ihnen herüberschaute, ohne Robin eines Blickes zu würdigen.
»Das … Das meinen Sie doch nicht ernst, oder?«, fragte Bristow.
»Todernst.«
»Aber … Wer … Cormoran, wollen Sie damit sagen, dass Sie wissen, wer Lula umgebracht hat?«
»Ja, ich glaube schon – aber bevor ich alles in trockenen Tüchern habe, muss ich noch einmal mit Ihrer Mutter sprechen.«
Bristow sah aus, als wünschte er sich, er könnte in Strikes Geist eintauchen. Halb ängstlich, halb flehentlich huschte sein kurzsichtiger Blick über Strikes Gesicht.
»Ich muss aber dabei sein«, sagte er. »Sie ist sehr schwach.«
»Natürlich. Wie wäre es mit morgen Vormittag?«
»Tony wird toben, wenn ich schon wieder während der Arbeitszeit verschwinde.«
Strike wartete ab.
»Na schön«, sagte Bristow. »Na schön. Morgen Vormittag. Um halb elf?«
14
Der nächste Morgen war frisch und klar. Strike fuhr mit der U-Bahn ins vornehme grüne Chelsea. Diesen Teil Londons kannte er kaum, denn Leda hatte es nicht einmal in ihren verschwendungssüchtigsten Lebensphasen vermocht, in der Umgebung des Royal Chelsea Hospital, das sich blass und huldreich in der Frühlingssonne erhob, Fuß zu fassen.
Die Franklin Row war eine charmante platanengesäumte Straße mit Backsteinhäusern und einer von einem Geländer eingefassten Rasenfläche, auf der Grundschulkinder unter den Augen mehrerer Lehrer in Trainingsanzügen Spiele spielten. Ihre fröhlichen Rufe durchbrachen die gediegene Stille, die ansonsten nur von leisem Vogelgezwitscher gestört wurde; nicht ein einziger Wagen fuhr vorüber, während Strike, die Hände in den Hosentaschen, den Bürgersteig zu Lady Bristows Haus entlangschlenderte.
Neben der teilweise verglasten Tür am oberen Ende der vier weißen Steinstufen war ein altmodisches Bakelitelement mit mehreren Klingeln in die Wand eingelassen. Strike überzeugte sich, dass Lady Bristows Name deutlich neben Wohnung E verzeichnet war, kehrte dann auf den Bürgersteig zurück und blieb in der angenehmen Wärme stehen, um die Straße im Auge zu behalten.
Es wurde zehn Uhr dreißig, doch von John Bristow war nichts zu sehen. Der Platz blieb verlassen – bis auf die zwanzig kleinen Kinder, die jenseits der Raseneinfassung zwischen Reifen und bunten Kegeln hin und her rannten.
Um Viertel vor elf vibrierte Strikes Handy in der Hosentasche. Die SMS kam von Robin:
Alison hat eben angerufen. JB wurde aufgehalten. Er will nicht, dass Sie ohne ihn mit seiner Mutter sprechen.
Strike schickte augenblicklich eine SMS an Bristow:
Wie lange werden Sie aufgehalten? Können wir das später nachholen?
Kaum hatte er die Nachricht abgeschickt, da läutete sein Handy. »Ja, hallo?«, meldete sich Strike.
»Oggy?«, hörte er Graham Hardacres blecherne Stimme, die aus Deutschland an sein Ohr drang. »Ich hab das Material über Agyeman.«
»Dein Timing ist gespenstisch gut.« Strike holte sein Notizbuch heraus. »Schieß los!«
»Er heißt Jonah Francis Agyeman und ist Lieutenant bei den Royal Engineers. Einundzwanzig, unverheiratet, sein gegenwärtiger Kampfeinsatz begann am elften Januar. Im Juni kommt er zurück. Nächste Verwandte: seine Mutter. Keine Geschwister, keine Kinder.«
Das Handy zwischen Kinn und Schulter geklemmt, kritzelte Strike die Angaben in sein Notizbuch. »Ich bin dir was schuldig, Hardy«, sagte er, während er das Notizbuch wieder einsteckte. »Ein Bild hast du nicht zufällig, oder?«
»Ich könnte dir eins mailen.«
Strike diktierte
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