Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Wilson hinzu.
Er schien zu erwarten, dass sein Gegenüber wusste, wer das war.
»Wer?«
»Kieran Kolovas-Jones. Er hat Lula meistens gefahren. Er will auch mit Ihnen reden.«
»Okay«, sagte Strike. »Wann will er hier sein?«
»Weiß ich nicht. Er ist dienstlich unterwegs. Er kommt, sobald er kann.«
Die Bedienung kam mit einem Becher Tee für Strike, der sich bedankte und die Kugelschreibermine herausklickte. Doch noch bevor er mit der Befragung anfangen konnte, sagte Wilson: »Sie war’n Offizier, hat Mr. Bristow gesagt.«
»Stimmt«, sagte Strike.
»Mein Neffe ist in Afghanistan«, sagte Wilson und nippte an seinem Tee. »Provinz Helmand.«
»Welches Regiment?«
»Fernmelder«, sagte Wilson.
»Wie lange ist er schon dort?«
»Vier Monate. Seine Mutter macht kein Auge mehr zu«, sagte Wilson. »Wie kommt’s, dass Sie von dort weg sind?«
»Hab ein Bein verloren«, antwortete Strike freimütiger als gewöhnlich. »Sprengfalle.«
Das war nur ein Teil der Wahrheit, aber zumindest der Teil, der sich einem Fremden am leichtesten erzählen ließ. Er hätte bleiben können; sie hatten ihn unbedingt halten wollen; aber der Verlust von Fuß und Unterschenkel hatte lediglich einen Entschluss beschleunigt, der seit Jahren in ihm gereift war. Er hatte gewusst, dass sein persönlicher Umkehrpunkt näher rückte: jener Augenblick, in dem er gehen musste, bevor er den Abschied und das Wiedereingewöhnen ins bürgerliche Leben als zu mühsam empfinden würde. Die Army formte einen im Lauf der Jahre fast unmerklich; sie stellte eine äußerliche Konformität her, die es einem leicht machte, von der Gezeitenkraft des Militärlebens mitgerissen zu werden. Strike war nie ganz überspült worden und hatte sich für den Abschied entschieden, bevor es dazu kommen konnte. Trotzdem dachte er an die Special Investigation Branch mit einer Zuneigung zurück, der selbst der Verlust eines halben Beins nichts anhaben konnte. Er wäre glücklich gewesen, sich ähnlich unkompliziert liebevoll an Charlotte erinnern zu können.
Wilson akzeptierte Strikes Erklärung langsam nickend.
»Nicht leicht«, sagte er mit seiner tiefen Stimme.
»Im Vergleich zu anderen bin ich gut weggekommen.«
»Yeah. Vor zwei Wochen ist ein Kerl aus dem Zug meines Neffen in die Luft geflogen.«
Wilson nahm einen kleinen Schluck Tee.
»Wie sind Sie mit Lula Landry ausgekommen?«, fragte Strike mit gezücktem Kugelschreiber. »Haben Sie sie oft gesehen?«
»Nur wenn sie am Empfang vorbeigekommen ist. Sie hat immer Hallo und Bitte und Danke gesagt, was mehr ist, als viele dieser reichen Ärsche rausbringen«, sagte Wilson lakonisch. »Am längsten haben wir uns mal über Jamaika unterhalten. Sie hat überlegt, ob sie dort drüben Aufnahmen machen sollte; hat mich gefragt, wo man am besten wohnt, wie’s dort ist. Und ich hab mir ein Autogramm als Geburtstagsgeschenk für meinen Neffen Jason geben lassen. Hab die Karte mit ihrer Unterschrift nach Afghanistan geschickt, nur drei Wochen vor ihrem Tod. Danach hat sie sich jedes Mal ausdrücklich nach Jason erkundigt, und das hat sie mir sympathisch gemacht, wissen Sie? Ich bin schon lange in der Sicherheitsbranche. Es gibt Leute, die erwarten, dass du ’ne Kugel für sie abfängst, die sich aber nicht die Mühe machen, sich deinen Namen zu merken. Yeah, aber sie war in Ordnung.«
Strikes Pastete mit Kartoffelpüree wurde serviert – beides dampfend heiß. Die beiden Männer betrachteten die riesige Portion in übereinkommendem respektvollem Schweigen. Strike, dem das Wasser im Mund zusammenlief, griff nach Messer und Gabel und fragte: »Können Sie mir Schritt für Schritt erzählen, was sich in der Nacht von Lulas Tod ereignet hat? Sie ist wann ausgegangen?«
Der Sicherheitsmann kratzte sich gedankenverloren am Unterarm und entblößte dabei unbeabsichtigt diverse tätowierte Kreuze und Initialen.
»Das muss kurz nach neunzehn Uhr gewesen sein. Sie war mit ihrer Freundin Ciara Porter zusammen. Ich weiß noch, dass Mr. Bestigui reingekommen ist, als sie rausgegangen sind. Er hat irgendwas zu Lula gesagt. Verstanden hab ich’s nicht, aber ihr hat’s nicht gefallen. Das war an ihrem Gesichtsausdruck zu seh’n.«
»Welche Art Gesichtsausdruck?«
»Beleidigt«, sagte Wilson sofort. »Dann seh ich die beiden auf dem Monitor, Lula und Porter, wie sie in den Wagen steigen. Wir haben eine Kamera über dem Eingang, wissen Sie? Das Bild erscheint auf einem Monitor am Empfang, damit wir seh’n können, wer
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