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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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Fußraum stapelten sich Rettungswesten und Paddel. Während der Fahrt schwiegen wir.
    Dad hielt am Kiesstrand. »Ich hab hier oben noch ein bisschen was zu tun«, erklärte Dad. »Also könnt ihr das Boot nehmen, wenn ihr wollt.«
    Ich sprang aus dem Wagen und suchte den Himmel ab. Nirgendwo ein Zeichen des Adlermännchens und des Jungvogels. Ich wusste, dass sie hier irgendwo waren. Hamish hatte erzählt, die Männchen und Jungtiere würden nicht vor Mitte September nach Afrika aufbrechen.
    »Komm schon, Callum«, sagte Dad.
    Zusammen schleppten wir das kleine Boot ins Wasser. Euan lud seine Angelausrüstung ein, wir sprangen ins Boot und Dad stieß uns vom Ufer.
    »Bis dann!«, rief Dad.
    Ich blickte ihm nach. Ein paar verspätete Eintagsfliegen tanzten an der Oberfläche des Sees und das Sonnenlichtfunkelte in den kleinen Wellen, die das Boot machte. Wir fuhren langsam einen Bogen und schaukelten sanft auf dem Wasser. Es war warm und im Schutz der Bäume stand die Luft still.
    Euan spähte über den See. »Ich schätze, wir müssen ans andere Ufer rudern«, rief er. »Dort drüben weht eine Brise überm Wasser. Ein guter Tag für die Bristol-Black-Hopper-Fliege.«
    »Hier sprach der Juniorchampion im Fliegenfischen«, sagte Rob und stupste mich in die Seite.
    Ich zog ein finsteres Gesicht und drehte ihm den Rücken zu.
    Rob begann zu rudern und das Boot ruckelte vorwärts.
    »Du bist vielleicht nicht an den Feinheiten des Fliegenfischens interessiert, Rob«, erklärte Euan, »aber man fängt keinen Fisch, wenn man nicht weiß, was man tut.«
    »Und du bist wohl der Experte vor Ort?«, konterte Rob.
    Euan klappte seine Angelbox auf. Vor uns breiteten sich Ablagefächer mit knallbunten künstlichen Fliegen aus. »Man kann nicht jede x-beliebige Fliege benutzen«, dozierte er. »Welche, das hängt von der Jahreszeit ab, vom Wetter und solchen Sachen.« Er nahm sich eine große schwarze Fliege und begutachtete sie liebevoll. Unter einem Fächer aus schwarzen Federn glitzerte der Haken. »Das hier ist ein Bristol Black, ein Hopper. Die Forelle denkt, dass das ein saftiger junger Grashüpfer ist, der übers Wasser geweht wird. Dieser hier ist perfekt für einen warmen, windigen Tag imSpätsommer. Wenn’s da draußen irgendeine Forelle gibt, wird dieser Hopper sie kriegen.«
    Ich streckte mich auf meiner Bank aus, blickte in den Himmel, lauschte dem dumpfen Knacken der Ruder in der Dolle und dem Gurgeln des Wassers unter dem Boot.
    »Weißt du, ich hab mich immer ein bisschen vor Iona gefürchtet«, sagte Rob.
    Ich beobachtete, wie die bauschigen Wolken über den Himmel segelten. »Sie war dann und wann ein bisschen aufbrausend«, nickte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    Ich schaute rüber zu Rob. »Sie hat es geschafft, sich an eine Herde Rotwild ranzupirschen«, erzählte ich, »bis auf Armlänge! Weißt du noch, wie sie mit bloßer Hand eine Forelle fing, an dem Tag, als wir sie das erste Mal gesehen haben?«
    Rob verstaute die Paddel und ließ das kleine Boot im Wind dahintreiben. Er tauchte die Hand ins Wasser und starrte auf sein gebrochenes Spiegelbild.
    »Eine Forelle zu kitzeln ist ziemlich gerissen«, sagte Euan. »Aber das hier , Callum«, fuhr er fort und richtete sich auf, » das hier ist reine Kunst.« Er schwang die Angelrute und ließ die Fliege durch die Lüfte segeln, bis sie weit entfernt ins Wasser platschte.
    Rob streckte sich auf seiner Bank aus und schloss die Augen. »Was glaubst du, Callum? Gibt’s Fischstäbchen und Pommes zum Abendessen?«
    »Mach dich nur lustig«, sagte Euan mit dem Rücken zu uns. »Für mich gibt’s ’ne fette Forelle.«
    Langsam trieben wir über den See, hinein in den frühen Abend. Millionen von Insekten surrten in der warmen, von Torfgeruch erfüllten Luft. Irgendwo draußen auf den Weiden schrie ein Brachvogel und über mir schossen Schwalben und Mauersegler durch die Lüfte.
    »Gibt’s noch was zu essen?«, fragte Rob und wühlte in meinem Rucksack.
    »Ich glaub, du hast das meiste verputzt«, sagte ich.
    »Ich sterbe vor Hunger«, stöhnte Rob. »Hast du schon ’nen Fisch gefangen, Euan?«
    Euan warf ihm nur einen finsteren Blick zu.
    »Vielleicht wirfst du deinen Köder nicht richtig aus«, stichelte Rob. »Soll ich’s mal versuchen?«
    »An dem Tag, an dem ich eine Wurflektion von dir brauche, geb ich das Fischen auf«, blaffte Euan zurück.
    Ich sah, wie das Ende von Euans Angelrute nach hinten und nach oben schnippte, bevor er die Fliege

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