Der Ruul-Konflikt 6: Im Angesicht der Niederlage (German Edition)
Doc. Davon bin ich eigentlich bereits ausgegangen. War Ihre Untersuchung seiner Leiche ebenso … aufschlussreich wie Ihre Schlussfolgerung?«
Der Pathologe warf ihm einen leicht ungnädigen Blick zu, besann sich jedoch auf seine Arbeit und begann zu erzählen. »Der Tod trat vor etwa vier Tagen ein. Der Mann wurde erstochen. Ein einzelner Stich mit einer sehr dünnen Klinge. Vielleicht ein Stilett.« Der Arzt packte die Leiche überraschend sanft an Schulter und Hüfte und zog sie auf die Seite, damit Jonathan den Rücken betrachten konnte. Ein großer Fleck markierte die Eintrittsstelle der Klinge.
»Er hat die weiche Stelle genau zwischen zwei Rippen erwischt und stieß dem Opfer das Messer aufwärts ins Herz«, fuhr der Arzt fort. »Der arme Kerl war vermutlich bereits tot, als er auf dem Boden aufschlug. Sehr professionell, wie ich hinzufügen möchte. Wer eine Klinge so präzise ansetzt, macht das bestimmt nicht zum ersten Mal.«
»Dann können wir Selbstmord wohl ausschließen«, feixte Alan gut gelaunt. Scott stieß ihm spielerisch den Ellbogen in die Seite und bedeutete ihm zu schweigen, konnte sich jedoch ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die ROCKETS besaßen mitunter einen etwas eigenwilligen Sinn für Humor.
»Das war wirklich überaus gekonnt«, bemerkte Jonathan, als er die Wunde im Rücken des Mannes musterte.
»Können Sie laut sagen«, stimmte der Arzt zu.
»Und die Augen?«
»Wurden mit der gleichen Professionalität entfernt. Wer immer das war, verfügt über zumindest rudimentäres medizinisches Wissen. Er hat die Augäpfel komplett entfernt, und soweit ich das im Augenblick zu sagen imstande bin, hat er dabei die Nervenenden kaum beschädigt und es gibt kaum Kratzer in der Augenhöhle. Das war sicherlich kein wildes Herumgestochere.«
Der Arzt ließ das Opfer wieder auf den Rücken gleiten und machte Anstalten, die Leiche mit einem weißen Tuch abzudecken, doch Jonathan hielt ihn zurück.
»Einen Moment, Doc.«
»Ja?«
»Irgendwoher kenne ich ihn.«
»Sicher?«, fragte Scott und trat neugierig näher. Auch Alan Foulder schien plötzlich nicht mehr zu Scherzen aufgelegt und beobachtete die Untersuchung gespannt.
Ja, Jonathan war sich tatsächlich sehr sicher, den Mann bereits mindestens einmal gesehen zu haben, wenn auch nur kurz. Aber wo? Angestrengt durchforstete er sein Gedächtnis auf der Suche nach der Antwort. Plötzlich ging ihm ein Licht auf und er schnippte mit den Fingern.
»Auf der Konferenz.«
»Was?«, fragten Scott und Alan gleichzeitig.
»Ich habe den Mann auf der Konferenz gesehen. Er war einer der Kellner am ersten Tag.«
»Zufall?«, meinte Alan.
Jonathan warf ihm über die Schulter einen schiefen Blick zu. »Glaubst du an solche Zufälle?«
Alan schürzte die Lippen. »Eher nicht.«
»Ich auch nicht. Wenn man jemandem die Augen entfernt, woran denkst du dann als Erstes?«
Alans Blick verdüsterte sich und auch Scott verstand sofort. Die beiden ROCKETS wechselten einen düsteren Blick.
»Retinascan.«
Jonathan nickte. »Wer hat seine Leiche gefunden?«
Der Arzt wies in eine Ecke des Raumes, wo eine junge Frau von einem Sanitäter betreut wurde, während ein weiblicher MAD-Offizier sich bemühte, ein paar Antworten aus der verstörten Zeugin herauszubekommen.
»Seine Lebensgefährtin. Sie steht noch unter Schock. Es war allerdings purer Zufall, dass man die Leiche so schnell gefunden hat.«
»Inwiefern?«
»Seine Lebensgefährtin sollte eigentlich erst in einer Woche zurückkommen. Sie war geschäftlich vereist und sollte im Moment noch nicht einmal auf diesem Kontinent sein.«
In Jonathan keimte ein schrecklicher Verdacht.
»Hat man seinen Sicherheitsausweis für die Konferenz gefunden?«
Der Arzt sah verwirrt auf.
»Seinen Sicherheitsausweis für die Konferenz!«, beharrte Jonathan ungeduldig.
»Keine Ahnung. Nicht dass ich wüsste.«
»Verdammt!«, fluchte der MAD-Offizier unterdrückt.
»Jemand hat es auf die Konferenz abgesehen«, schloss sich Scott der unausgesprochenen Schlussfolgerung an. Alan gab bereits Befehle in sein Headset. Mit einem Ohr bekam Jonathan mit, wie der ROCKETS-Soldat Anweisungen gab, den Sicherheitsausweis des getöteten Kellners und dessen Zugangsberechtigungen zu löschen, inklusive aller Bereiche, zu der der Kellner nur durch die Benutzung eines Augenscanners Zugang hatte.
Der Arzt verfolgte die plötzlich hektischen Aktivitäten verwirrt.
»Was ist denn los? Was bedeutet das alles?«
»Das bedeutet, die Konferenz
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