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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Muße. Besonders lange stand er vor einem kleinen Gemälde von Klee, und er bedauerte, daß er es nicht einfach stehlen konnte. Dieses Bild und dazu die sanften Töne von »Schneewittchen«, das mußte ein unübertrefflicher Genuß sein. Er sagte es der Bachstelze. Hatte er wirklich gehofft, sie würde ihm das Gemälde ausleihen?
    Sie lachte nur. »Haben Sie dieses Quietschkrächzgeschrei immer noch? Ich weiß nicht, was Sie an den Sonics finden, Tiny, die meisten machen doch nur grauslige Geräusche, und die von Shopenhower ganz besonders.«
    Sollte er ihr erklären, daß das nur an ihr lag, daß Daniels Sonics auf die feinsten Stimmungen und Regungen ihrer Betrachter reagierten?
    »Haben Sie mal wieder was von Shopenhower gehört?« fragte die Bachstelze. »Er soll spurlos verschwunden sein.«
    »Er versteckt sich doch jedesmal, wenn er an etwas Neuem arbeitet«, sagte Timothy. Was mochte Daniel wieder ausbrüten? Konnte er überhaupt noch etwas Besseres als seine Sonics erfinden? Konnte es etwas Schöneres als Schneewittchen geben?
    In einem separaten Zimmer hingen seltsam farbige Gemälde einer zugleich faszinierenden wie bedrückenden Landschaft: riesige, tote Ebenen mit gewaltigen Bruchgräben und schartigen Bergzügen, die in den eigenartigsten Farbtönen leuchteten.
    »Marslandschaften«, erklärte die Bachstelze stolz. »Von Boris Garin, einem russischen Kosmonauten. Aber fragen Sie bitte nicht, wie ich zu ihnen gekommen bin.«
    »Ich frage mich vielmehr, wie der Maler dazu gekommen ist«, sagte Timothy. »Es sieht aus wie an Ort und Stelle gemalt, dabei sind unsere Jungs doch die einzigen –«
    Deborrah Johnson lachte dröhnend. »Behaupten Sie nicht, daß Sie dieses Videomärchen glauben, Tiny – nicht unter uns!«
    Die Aufnahmen von der ersten Mondlandung amerikanischer Astronauten im Dezember 1968 wurden an jedem Jahrestag im Video gezeigt. Mit dem Kommentar, daß Amerikaner bislang die einzigen Menschen seien, die auf einem anderen Himmelskörper gelandet waren, und daß die USA selbstverständlich noch immer die führende Raumfahrtnation wären, wenn man nicht freiwillig darauf verzichtet hätte, um die immensen Summen, die derartige Projekte verschlangen, zur Bewältigung der irdischen Probleme zu nutzen.
    »Die Russen sind vor zwei Jahren auf dem Mars gelandet, das wissen Sie doch!« Die Bachstelze sah Timothy lächelnd an. »Alle wissen das. Ebenso, daß wir nicht freiwillig auf die Raumfahrt verzichtet, sondern daß die DRAUSSEN es uns verboten haben. Und wir wissen, daß alle es wissen.«
    »Aber es ist strafbar, das zu sagen!«
    »Nicht nur das.« Die Bachstelze lachte. »Glauben Sie mir, Tiny, es ist eine hervorragende Methode zur Disziplinierung der Leute, wenn man sie zwingt, tagtäglich wider das eigene Wissen zu reden.«
    Timothy wechselte schnell das verfängliche Thema. »Was ich Sie neulich schon fragen wollte«, sagte er, »wo ist eigentlich Ihr Vorgänger abgeblieben?«
    »Mel Saunders ist in das ›House of Mortal Art‹ eingegangen«, sagte die Bachstelze. »Sie kennen doch den Palast der Selbstmörder in der Lincoln Avenue?«
    Timothy verneinte. Er hatte noch nie Verlangen gespürt, eines dieser Selbstmordhäuser zu besuchen, ihm genügte, was er aus den Prospekten ersehen konnte, die alle nur denkbaren Arten versprachen, wie man sich ums Leben bringen konnte. Oder bringen lassen, was den Preis jeweils verdoppelte. Wenn man den Prospekten Glauben schenken wollte, konnte man sich sogar stilecht köpfen, rädern, pfählen oder auf einem Scheiterhaufen verbrennen lassen; wenn man genug Geld hatte, sogar in historisch getreuen Kostümen und Kulissen und mit entsprechendem Publikum. Auch eine Riesenauswahl an »Henkersmahlen« und »Good-bye-Orgien« wurde offeriert. »Mel hat einen würdigen Tod gehabt«, sagte die Bachstelze, »würdiger als sein Leben.« Timothy blickte sie fragend an, doch sie verriet ihm nicht, warum sie Saunders Leben für unwürdig hielt. Timothy konnte sich eigentlich kein Vergehen außer Ehrlichkeit, Anstand und Unbestechlichkeit vorstellen, das die Bachstelze einem Polizeibeamten übelnehmen würde. »Er hat sich versilbern lassen.« Deborrah Johnson lachte, als sie Timothys verwundertes Gesicht sah. »Sie sind wirklich nicht auf dem laufenden«, erklärte sie. »Haben Sie etwa noch nie von der ›Venus von Washington‹ gehört? Sie hat diese Mode ausgelöst. Sie wollte nicht altern, also machte sie sich zum unvergänglichen Kunstwerk. Sie steht jetzt im

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