Der sanfte Kuss des Todes
fassungslos an. »Wie konntest du das nur tun?«
»Ich wusste es nicht, okay? Und ich fühle mich sowieso schon beschissen, also hack nicht auch noch auf mir rum. Deine Predigt kannst du dir sparen.«
Fiona war auf einmal mulmig zumute. »Und wie ist Nathan da reingezogen worden?«
»Nachdem sie mich verhaftet hatten …«
»Verhaftet?«
»Hey!« Courtney stemmte eine Hand in die Hüfte. »Bitte keine Predigten! Die ganze Sache macht mir schon genug zu schaffen. Nathan hat ein paar Beziehungen spielen lassen, und damit war die Sache mehr oder weniger erledigt, zufrieden?«
Fiona sah ihre Schwester an. Hatte sie eigentlich eine Ahnung, in welchen Schwierigkeiten sie möglicherweise steckte? Mit einer Verhaftung – selbst einer kurzzeitigen – war nicht zu spaßen, ganz zu schweigen von den Kosten.
»Bist du sicher, dass es erledigt ist? Brauchst du keinen Anwalt?«
Courtney schnaubte. »Bloß keine Anwälte mehr. Nie mehr.« Sie ließ sich auf einen Barhocker sinken. »Genug von mir. Lass hören, was bei dir los ist.«
Fiona setzte sich neben sie. Wenn Nathan die Sache in die Hand genommen hatte, dann war sie wahrscheinlich wirklich erledigt. Er hatte einigen Einfluss, und er hätte etwas gesagt, wenn Courtney in Schwierigkeiten wäre. Fiona wunderte sich allerdings, dass er die Sache nicht einmal erwähnt hatte, aber vielleicht hatte er versprochen zu schweigen.
»Also?«, fragte Courtney und sah sie auffordernd an. »Was ist mit Jack?«
Fiona verschränkte die Arme auf der Theke und legte den Kopf darauf. »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe.«
»Wie bitte?«
Sie schloss die Augen. »Als wir miteinander geschlafen haben.«
»Sag mal, hast du einen Knall? Das ist ein Witz, oder? Das hast du nicht wirklich getan.«
»Es ist kein Witz.«
»Und was hat er gesagt?«
»Nichts.« Fiona blickte auf. »Ich habe es versaut, oder?«
Courtney kaute auf ihrer Unterlippe.
»Sei ehrlich.«
»Na ja.« Sie legte den Kopf schief und dachte darüber nach. »Er scheint höflich zu sein.«
»Ja.«
»Und irgendwie altmodisch.«
»Ja. Und?«
»Also ruft er dich wahrscheinlich anstandshalber in einer Woche an.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht verabredet er sich mit dir oder so. Dann sagt er ab, weil ihm irgendwas dazwischengekommen ist.«
Fiona ließ den Kopf wieder sinken. »Ich weiß gar nicht, wie ich so etwas Blödes machen konnte.«
Courtney klopfte ihr auf den Rücken. »Ich auch nicht.«
Gib auf dich Acht.
Sie hatte ihm eine Liebeserklärung gemacht, und was hatte er gestern zum Abschied gesagt? Gib auf dich Acht.
Fiona stieß die Eingangstür auf. Die helle Nachmittagssonne empfing sie, und zum ersten Mal seit Wochen fand sie es im Freien halbwegs angenehm. Sie knöpfte ihren Mantel auf und blickte die Straße hoch. Sie war an diesem Samstagnachmittag voller Menschen – Fahrradfahrer, Jogger, Spaziergänger mit ihren Hunden. Es schien, als wäre die Stadt aus dem Winterschlaf erwacht. Fiona schlenderte zur Lamar Street und blieb stehen, um das Gesicht in die Sonne zu halten. Es war einer dieser frischen, klaren Tage, an denen der Himmel so blau war, dass er wie gemalt aussah. Die Galerie lag nicht weit entfernt, und sie hatte beschlossen, zu Fuß zu gehen.
Das Kleid aus Knautschsamt strich beim Gehen um ihre Beine. Sie hatte es extra für diesen Anlass gekauft. Es hatte einen runden Ausschnitt und lange Ärmel, der Stoff schmiegte sich eng an ihren Körper, und das dunkle Violett betonte den goldenen Schimmer in ihren Haaren. Sie fühlte sich hübsch. Sogar schön. Und ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie überlegte, ob Jack es wohl zu ihrer Vernissage schaffen würde.
Es war albern, in einem Augenblick wie diesem an ihn zu denken, aber sie konnte nicht anders. Sie war in ihn verliebt. Sie wusste nicht, ob er ihre Gefühle erwiderte, aber sie hielt es für möglich. Auch wenn er nicht darüber sprach, hatte sie etwas in seinen Augen gesehen, als sie miteinander schliefen. Und dann hatte er gesagt, dass er herkommen wollte, um bei ihrer Vernissage dabei zu sein, und er wusste ganz genau, wie viel ihr das bedeutete.
Es war natürlich auch möglich, dass er nur nett sein wollte.
Es war sogar möglich, dass er das alles nur gesagt hatte, um einem unangenehmen Gespräch über das L-Wort auszuweichen. Vielleicht hatte er überhaupt nicht die Absicht gehabt zu kommen.
Fiona blieb an der Straßenecke stehen und wartete, dass die Ampel umschaltete. Sie holte tief Luft und
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