Der sanfte Kuss des Todes
aufstehen und gehen.
»Was ist zwischen Ihnen und Lucy?«, fragte sie.
Er sah sie überrascht an. Dann argwöhnisch. Dann wandte er seinen Blick ab.
Er spielte mit seinem Bierglas, schob es hin und her. »Wir waren mal zusammen. Aber das ist lange her.«
Er sah sie an, und sie wusste, dass er die Wahrheit sagte.
»Wann? Vor dem Überfall?«
Er nickte.
»Wie alt sind Sie?«
»Fünfunddreißig.«
»Und sie ist …«
»Neunundzwanzig.«
Fiona rechnete schnell nach. Der Altersunterschied war ein bisschen seltsam. Nicht gesetzeswidrig, aber nahe dran.
»Sie war damals gerade achtzehn«, sagte Jack. »Und nein, ich bin nicht stolz darauf.« Er sah zu Boden, schüttelte den Kopf. »Scheiße, ich kann es nicht erklären. Es ist einfach passiert. Es fing an einem Sommerabend an, und dann lief es einfach weiter. Wir hatten darüber gesprochen, dass sie zu mir nach Houston zieht.«
Er hob den Kopf. »Nach dem Überfall war alles anders. Sie entfernte sich von mir. Begann zu trinken. Ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte, ehrlich, und nach einer Weile habe ich es aufgegeben.«
Er starrte in sein Bierglas. »Darauf bin ich auch nicht stolz.«
Fiona betrachtete ihn, und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass er ihr gegenüber absolut ehrlich war. Und sie verachtete sich selbst, weil sie ihn dazu gebracht hatte.
Lieber Gott, sie war wirklich nicht mehr ganz dicht. Ehrlichkeit war für sie das A und O, absolut entscheidend, und jetzt, wo dieser Mann endlich ehrlich zu ihr war, fühlte sie sich schlecht, weil sie es von ihm verlangt hatte.
Am vernünftigsten wäre es, nein zu sagen. Sich weitere
Kopfschmerzen zu ersparen und ihm zu sagen, er solle jemand anderen suchen.
Aber sie wollte nicht vernünftig sein. Sie wollte Jack helfen.
Jack, der endlich ehrlich zu ihr gewesen war.
»Ich spreche mit dem Zeugen«, sagte sie unvermittelt.
Sein Kopf fuhr zu ihr herum. »Wirklich?«
»Ich komme morgen. Sollen wir uns bei Ihnen im Büro treffen? Oder bei dem Jungen zu Hause?«
Er schnitt eine Grimasse. »Bei dem Jungen geht es nicht gerade gemütlich zu. Besser, wir treffen uns in meinem Büro.«
»Gut, ich werde so früh wie möglich da sein. Wenn etwas Brauchbares dabei rauskommt, können Sie es noch rechtzeitig für die Nachmittags- und Abendnachrichten an die Medien weitergeben.«
»Danke.« Er nickte. »Sie haben was gut bei mir, das meine ich ernst.«
Sie betrachtete wieder die Fische in ihrem Aquarium und stellte sich das Ganze als Bild vor. Eine Wasserlandschaft, bei der sich unter das Blau leuchtende Orange- und Rottöne mischten. Es war wunderschön.
Und sie würde wahrscheinlich niemals die Zeit finden, es zu malen, weil Jack Bowman ihren Entschluss wieder ins Wanken gebracht hatte.
Irgendwie schaffte es Jack, sie nach dem Essen noch zu einem Drink zu überreden. Um zu verhindern, dass sie es sich anders überlegte, steuerte er das nächstbeste Lokal an, einen winzigen Pub auf der anderen Straßenseite. Es war völlig überheizt und roch nach abgestandenem Bier, aber im hinteren Teil erspähte er eine Dartscheibe.
Jack nahm Fionas Hand und führte sie zu einem leeren Tisch in der Nähe. »Wieder Wein?« Er half ihr aus dem Mantel und rückte ihr den Stuhl zurecht.
»Lieber einen Whiskey Sour.«
Ein Whiskey Sour. Er sagte lieber nicht, was er davon hielt. Zumindest wurde sie langsam ein bisschen lockerer. »Bin gleich wieder da.«
Als er ein paar Minuten später mit den Getränken und einem Satz Dartpfeile an den Tisch zurückkam, hatte Fiona ihren Blazer ausgezogen – die weiße Seidenbluse, die sie darunter trug, fand er sehr viel interessanter.
»Bitte.« Er stellte die Gläser ab, setzte sich jedoch nicht. »Haben Sie schon mal Darts gespielt?«
Sie warf einen Blick auf die Schachtel mit den Pfeilen. »Nein.«
»Ich wette, Sie wären gut.«
Er dachte, sie würde der Herausforderung widerstehen, aber sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Dann genehmigte sie sich einen großen Schluck von ihrem Whiskey Sour und stellte das Glas schwungvoll zurück auf den Tisch. »Also los.«
Er hängte seine Jacke über die Stuhllehne und stellte sich neben sie. »Bei diesem Spiel geht es nicht um Kraft«, erklärte er ihr. »Es geht ausschließlich um Technik.«
»Mit anderen Worten, ich habe eine Chance, Sie zu schlagen?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber es macht bestimmt Spaß, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie es versuchen.« Er nahm einen Pfeil, warf ihn und traf mit erstaunlichem
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