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Der sanfte Kuss des Todes

Titel: Der sanfte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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ihrer Wohnung, weil die Kleider darin mal wieder gewaschen werden mussten. Sie würde also improvisieren müssen.

    Der Highway führte mitten durch die Felder, vorbei an unendlichen Reihen welker Pflanzen. Fiona sah zum Seitenfenster hinaus und fragte sich, was hier wohl angebaut wurde und ob die Pflanzen den Frost überlebt hatten. Sie hatte keine Ahnung von Landwirtschaft, was ihr in diesem Moment, als die riesigen Ackerflächen an ihr vorbeizogen, wieder einmal deutlich bewusst wurde.
    Sie gehörte nicht hierher.
    Anders als Jack – der in einer Sushibar genauso zu Hause zu sein schien wie in seiner vierrädrigen Testosteron-Schleuder – konnte Fiona nicht einfach umschalten. Sie brauchte die Großstadt. Sie brauchte den Verkehr und die Menschenansammlungen, um sich darin verlieren zu können, in der Anonymität zu verschwinden, in der man nicht ständig von anderen überwacht wurde. Courtney hatte einmal gesagt, das sei eine Art Schutzwall für sie, und vielleicht hatte sie recht. Manchmal wollte Fiona eben nicht irgendwo verwurzelt sein, wollte keine Freunde und Bekannten um sich haben. Manchmal suchte sie die Einsamkeit und die verlockende Möglichkeit, namenlos zu bleiben.
    Willkommen in Graingerville. Fahren Sie bitte vorsichtig.
    Als sie das Schild passierte, erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Ginny vor ein paar Tagen. Sie hatte gesagt, dass Jack so stur war wie sein Vater und seine Familie das Salz der Erde.
    Das war eine ziemlich seltsame Beschreibung, aber Fiona wusste sofort, was sie damit meinte. Sie fragte sich, wie ein solcher Mann sich der FBI-Ermittler, Politiker und Journalisten erwehren würde, die ihn heute sicher keine Sekunde in Ruhe lassen würden.
    Fiona fuhr durch den Ortskern, vorbei an der Polizei, an
der Bibliothek und der Tankstelle, wo sie beim ersten Mal getankt hatte. Dann bog sie auf den Parkplatz der Verwaltung von Grainger County ein und entdeckte eine Reihe von Fernsehübertragungswagen, die direkt vor dem Eingang abgestellt waren. Ihre in die Höhe ragenden Antennen schickten Bilder aus dem beschaulichen Städtchen zu irgendwelchen hoch über der Erde schwebenden Satelliten.
    Fiona holte tief Luft, strich sich über die Haare und nahm all ihren Mut zusammen.
     
    Randy Rudd war ganz in seinem Element. Inmitten von Mikrofonen und Kameras schien er an Umfang und Größe auf das Doppelte anzuschwellen. Vielleicht waren es auch nur die Einlagen. Mit verschränkten Armen beobachtete Jack von einer Ecke des Sitzungssaals aus, wie der Sheriff die Bühne betrat. Zu seinem üblichen extragroßen Hut trug er zu Ehren des Anlasses noch seine Spezial-Straußenleder-Cowboystiefel, so dass der ein Meter siebzig große Mann um zehn Zentimeter gewachsen zu sein schien. Er rückte sich völlig unnötigerweise das Mikrofon zurecht, sah jedem einzelnen der Fernsehreporter in die Augen und bedachte das übrige Publikum mit einem ernsten Blick. Alle saßen wie gebannt da und warteten auf neue Informationen aus dem Mund des Mannes, der hier offensichtlich das Sagen hatte.
    Es war kaum auszuhalten. Randy und der Bürgermeister hatten eine komplette 180-Grad-Wende hingelegt. Der Fall Natalie Fuentes war nicht länger ein lästiges Ärgernis, das man getrost Jack überlassen konnte, im Licht der Fernsehscheinwerfer hatte die Angelegenheit höchste Priorität gewonnen.
    Während Randy einen kleinen Soundcheck machte, sah
sich Jack mit zusammengepressten Lippen um. Er redete sich ein, dass es ihm nichts ausmachte. Dann war ihm der Bürgermeister eben in den Rücken gefallen und hatte ihm gedroht, ihm seinen Job wegzunehmen, wenn er sein Gesicht auch nur eine Sekunde in die Kamera hielt. Zugegeben, das Veilchen war bestimmt keine gute PR. Ebenso wenig Jacks miese Laune. Sollten sie doch tun und lassen, was sie wollten, solange man ihn nicht von dem Fall abzog. Seinetwegen konnten Randy und der Bürgermeister gerne die Publicity haben, er wollte nur den Täter dingfest machen. Und wenn Randy unbedingt derjenige sein wollte, der dem Kerl die Handschellen anlegte, bitte, dann sollte er das tun. Genauso wenig hatte Jack ein Problem damit, wenn sich Randy als aufrechter Kämpfer gegen das Verbrechen mit ein paar hohen Tieren vom FBI vor den Kameras inszenieren wollte, wodurch ihm seine Wiederwahl im nächsten November praktisch sicher war. Was Jack allerdings nicht hinnehmen würde – nicht eine Minute -, war, dass so ein Schlappschwanz von Sheriff in seine Ermittlungsarbeit eingriff. Randy war durch

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