Der Sarg: Psychothriller
Vor der Tür standen zwei Polizisten, aber was konnten die ausrichten, wo es nicht einmal etwas genutzt hatte, dass jemand nur wenige Meter von ihr entfernt im Haus gewesen war, als man sie entführt und in den Sarg gesperrt hatte. Diese Polizisten hatten alle keine Ahnung davon, was es hieß, Angst zu haben vor Dingen, die nicht greifbar waren, die man nicht beweisen, sondern nur vermuten konnte. Auch dieser Menkhoff nicht.
Eva stellte sich die Frage, ob Dr. Leienberg es schaffen würde, ihr zu helfen. Vielleicht sogar nicht nur aus dieser Situation heraus, sondern grundsätzlich. Ihr war klar, dass er überhaupt nur eine Chance hatte, wenn sie ihm wirklich alles von sich erzählte. Aber wollte sie das? Und vor allem: Konnte sie das?
Sie schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Sie wollte es zumindest versuchen. Zudem fühlte sie sich merkwürdigerweise in Dr. Leienbergs Nähe sicherer als mit zwei Polizisten vor ihrer Haustür, und das, obwohl die vergangene Nacht gezeigt hatte, dass er sie nicht beschützen konnte.
Seine Nummer hatte sie auf einen Zettel notiert, der an der Pinnwand in der Küche hing. Als sie danach greifen wollte, erstarrte sie. Gleich über dem gelben Zettel mit der Telefonnummer hing ein DIN -A 4 -Blatt, darauf stand ein Satz in einer Schrift, die sie sofort erkannte:
Erkenne, dass du nicht
allein bist, sonst bist
du verloren.
Er wird dich töten!
Mit klopfendem Herzen las sie die Botschaft wieder und wieder. Sie taumelte rückwärts und stieß gegen die Arbeitsplatte. Was sollte das heißen,
Erkenne, dass du nicht allein bist
? Wen meinte der Schreiber damit? Sollte sie erkennen, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hatte mit ihrer Vermutung? Dass er gekommen war, um sich zu rächen?
Er wird dich töten!
So deutlich war bisher noch keine Botschaft zuvor gewesen. Aber von wem stammte sie bloß? Wer konnte wissen, was
er
vorhatte? Was sollte sie tun? Hinauslaufen zu den Polizisten und ihnen erzählen, was sie gerade gefunden hatte? Und dann? Dann würden wieder diese Leute auftauchen und ihr Haus durchsuchen und alles durchwühlen und ihre Nasen in all ihre privaten Dinge stecken. Irgendwann würden sie wieder abziehen und … Nein, sie würde die Nachricht niemandem zeigen. Niemandem außer Dr. Leienberg.
Der Psychiater hob nach dem zweiten Klingeln ab. Als sie ihm sagte, sie müsse schnellstmöglich zu ihm in die Praxis kommen, hatte sie erst das Gefühl, er reagiere etwas verhalten. Als sie dann jedoch die neue Nachricht erwähnte, erklärte er ihr, er erwarte jeden Moment seinen letzten Patienten für diesen Tag, und sie könne in einer Stunde zu ihm kommen. Eva bedankte sich und legte erleichtert auf. Sie fühlte sich verschwitzt und irgendwie schmutzig, ging ins Badezimmer, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Das Wasser drehte sie dabei so heiß, dass sie es noch gerade eben aushalten konnte. Das Brennen auf ihrer Haut empfand sie als reinigend, es war, als weiche das heiße Wasser die Kruste der Verzweiflung ein wenig auf, die sie fest umschlossen hatte. Als sie schließlich das Wasser abstellte, stand im ganzen Badezimmer eine dichte Wand aus waberndem Dampf. Nachdem sie sich abgetrocknet und in ein großes Badetuch eingewickelt hatte, musste sie sich auf dem Rand des Waschbeckens abstützen, weil ihr schwindlig wurde. Ihr Kreislauf machte ihr offensichtlich Schwierigkeiten, was bei den Temperaturen und der Feuchtigkeit im Badezimmer auch kein Wunder war. Sie schloss mit gesenktem Kopf die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Plötzlich, im Bruchteil einer Sekunde, ohne Übergang, ging es ihr wieder besser. Die Veränderung war schneller gekommen, als ihr Verstand folgen konnte, sie war verwirrt, hob den Kopf und betrachtete sich im Spiegel, der schon nicht mehr beschlagen war. Ihre Wangen wirkten eingefallen, um die Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, ihr Mund kam ihr fremd vor, so schmallippig, so … egal. Sie musste sich anziehen, sonst kam sie zu spät zu Dr. Leienberg. Zwanzig Minuten später verließ sie das Haus. Sie hatte sich einen Handschuh übergezogen, um das Blatt aus der Küche mit der unheimlichen Nachricht darauf anfassen zu können. Sie hatte ihre Meinung geändert und wollte es nun doch den beiden Beamten zeigen, die in einem dunkelblauen Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkten. Als sie das Fahrzeug fast erreicht hatte, glitt das Fenster der Fahrertür nach unten. Sie hielt dem verblüfft dreinschauenden
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