Der Schaedelschmied
Heitrych vom Amt für Belüftungstechnik sterben? Steht dieses Gewaltverbrechen in irgendeinem Zusammenhang mit dem Mordfall Borkudd? Stammte aus Heitrychs wie auch immer gearteter Involvierung möglicherweise der unerklärliche Reichtum, den er in den vergangenen Tagen mit vollen Händen verprasste? Und natürlich am wichtigsten: Wer tötete ihn?«
»Köstlich«, nuschelte Jorge durch einen weißen Bart aus Bierschaum. »Äh, deine Überlegungen meine ich natürlich, M.H.: köstlich. Wenngleich das eben bei genauerer Betrachtung nicht bloß eine Frage war, sondern vier.«
»Frage zwei: Laut Herrn Gronther, dem Vetter des ermordeten Schürfministers, handelte es sich bei der Person, die wir tot in dessen Büro auffanden, gar nicht um Borkudd. Vor dem Hintergrund der auffälligen Wesensveränderung, die der Minister gemäß verschiedenen Quellen vor rund zwei Jahren durchlaufen hat, drängt sich die Frage auf, ob es sich bei der als Borkudd bekannten Person möglicherweise um einen Doppelgänger handelte, der irgendwann mit dem echten Borkudd die Rollen tauschte. Falls dem wirklich so war, aus welchem Grund geschah dies? Und in wessen Auftrag?«
»Das waren schon wieder drei Fragen auf einmal«, stellte Jorge fest und stieß schäumend auf.
»Aktueller Stand: Herr Horsten sieben, Herr Jorge ebenfalls sieben.«
»Frage drei: Obwohl er sich nachweislich nicht selbst umbrachte, verfasste Borkudd – oder sein Doppelgänger – einen Abschiedsbrief. Jenen Abschiedsbrief, den wir auf seinem Schreibtisch fanden. Warum?«
»Dürfte ich vielleicht auch mal eine Frage stellen, M.H.?« Jorge wischte sich mit der künstlichen Hand den Mund ab und winkte kollegial in Richtung des fetten Herrn Horsten hinüber, der am Nebentisch gerade ein neues Bier in Empfang nahm.
»Sicher. Sofern es eine Frage ist, die unseren Fall betrifft.«
»Klar betrifft sie unseren Fall! Ein altes Trollsprichwort sagt: Wenn eine Frage nicht den aktuellen Fall betrifft, sollte sie im Verlauf des aktuellen Falles besser nicht gestellt werden.«
»Quintessenziell.« Hippolit schloss die Augen und machte eine kurbelnde Handbewegung. »Also?«
»Dieses schleimtriefende Monstrum, dem Glax und ich in der Vierunddreißigsten begegnet sind …« Jorge merkte, dass Hippolit zu einem Einwand ansetzte, daher fuhr er rasch fort: »… von dem wir mittlerweile wissen, dass es gar kein schleimtriefendes Monstrum war, sondern eine mittels thaumaturgischem Wischiwaschi produzierte …«
»Visiorama. Und das andere Wort lautet ›projiziert‹.«
»… dass es sich um eine Täuschung handelte. Der Zweck dahinter scheint halbwegs nachvollziehbar: Ein Kleingeist wie der olle Glax sollte auf die Idee kommen, ein körperloses Schwebevieh hätte den Ministermord begangen. Ich als kritisch hinterfragender Troll hinterfrage da allerdings kritisch: Wozu dies? Und wer, bei Blaaks geringelten Arschhaaren, hat sich die Mühe gemacht, Odalf und Pholker mit so einem Apparillo in die Tiefe hinabzuschicken?«
»Aktueller Stand: Herr Horsten acht, Herr Jorge sieben«, verkündete der Kellner. Irgendwo im Hintergrund stieß Herr Horsten einen infernalischen Rülpser aus. Das Geräusch erinnerte an das Stöhnen eines großen Tiers, das an einer üblen Kolik leidet.
Hippolit hob eine Braue. »Sehr gut, Jorge. Das war ein Punkt, den ich ebenfalls noch ansprechen wollte. Wie auch jenen: Welche Rolle spielt Vizeminister Frietrych in der ganzen Sache? Laut den Worten seiner Frau war er in der Mordnacht nicht zu Hause. Beim Rest des Ministeriums ist er nicht sonderlich beliebt, wie mir Wymmler heute Nachmittag anvertraute. Neben seiner zugegeben etwas eigentümlichen Art rührt dies wohl maßgeblich daher, dass Frietrych vor ein paar Jahren eine extrem komplizierte neue Art der Buchführung durchgesetzt hat, die es seinen Kollegen schwer machte, von ihm ausgewiesene Erträge zuzuweisen und zu verfolgen …«
»Wasss dddu nnnichd sssagsssd?«, blubberte Jorge aus den Tiefen eines frischen Bierkrugs.
»Und dann die Sache mit seinem verletzten Arm«, fuhr Hippolit gedankenverloren fort. »Bei unserem ersten Zusammentreffen anlässlich der Tatortbesichtigung trug er den Arm in einer Schlinge. Als ich ihn am selben Abend zu Hause aufsuchte, waren Verband und Schlinge plötzlich verschwunden.« Er richtete den Blick zur weißen Decke des Zelts und kraulte sich das Kinn. »Frietrych ist zu intelligent, als dass es sich dabei um einen bloßen Zufall handeln könnte. Nur … was steckt
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