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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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um mit meinem Anblick arme Zwerge zu Tode zu erschrecken.«
    Die Kellnerin, der die Ironie in Jorges Stimme gänzlich entging, nickte verständig. »Natürlich müssen Sie das.« Damit drehte sie sich um und verschwand in dem Meer aus Leibern.

16
     
     
    Früh am nächsten Morgen wurde Hippolit von einem durchdringenden Klopfen an seiner Zimmertür aus dem Schlaf gerissen. Zunächst reagierte er nicht, hielt das Geräusch für ein weiteres unerwünschtes Lebenszeichen seines Assistenten, der erst wenige Stunden zuvor von Lustbarkeiten unbekannter Art zurückgekehrt und mit der Wucht eines Explosivglobulus höchster Stufe in seine Bettstatt in der Nachbarkammer eingeschlagen war.
    Rasch jedoch gesellte sich eine Stimme zu dem Klopfen – eine Stimme, die Hippolit mit einer gewissen Verzögerung wiedererkannte. Und was sie verkündete, machte ihn binnen eines Wimpernschlags hellwach.
    »… Herr Oskulapius dem Lordprotektor in wenigen Minuten den genauen Hergang des Verbrechens schildern«, verkündete Polizeiminister Wymmler jenseits des Holzes und ließ ein erneutes Klopfen ertönen.
    Aus dem Bett hochfahren, in das bereitliegende Gewand schlüpfen und sich in der winzigen Nasszelle zwischen den Zimmern etwas eiskaltes Wasser ins Gesicht spritzen, war eins. »Wir kommen«, brüllte Hippolit in Richtung Zimmertür, gefolgt von »Jorge, steh auf! Wir müssen los« in Richtung Tür zum Nachbarzimmer.
    Aus dem angrenzenden Raum drang ein Geräusch, als hauchte dort ein riesiges, übel geschundenes Tier unter enormen Qualen sein Leben aus. Hippolit kannte seinen Assistenten lange genug, um dessen Lautäußerungen ungefähr deuten zu können.
    »Nein, du kannst nicht liegen bleiben. Beeilung!« Wütend fuhr er herum und riss die Verbindungstür zu Jorges Schlafgemach auf.
    Aus der Finsternis schlug ihm ein Miasma des Verderbens entgegen, ein warmer, durchdringender Gestank nach Schweiß, Alkohol, Halbverdautem und einer Fäulnis, wie sie sich nur in Trollschuhwerk entwickeln kann, das über Monate ohne Unterlass getragen wird. Nach Luft schnappend taumelte Hippolit zurück und knallte die Tür wieder zu.
    »Mein Assistent ist beschäftigt«, erklärte er Wymmler, der draußen auf dem Flur gewartet hatte. »Aber ich komme mit.«
    »Dachte mir doch, dass Sie das interessieren würde«, verkündete der Polizeipräsident mit einem eckigen Nicken. »Meldung über Gesuch dieses Oskulapius, beim Lordprotektor im Rahmen einer Eilaudienz vorzusprechen, kam vor einer halben Stunde rein.« Für einen winzigen Augenblick blitzte hinter seiner Maske professioneller militärischer Gleichgültigkeit eine Abneigung gegen den sogenannten Meisterermittler auf, die Hippolit bisher nicht aufgefallen war. »Immerhin besteht gewisse Hoffnung, dass Ihr Konkurrent aus Sherlepp sich blamiert, was?«
    Während er dem im Stechschritt vorausmarschierenden Zwerg folgte, nahm Hippolit mit grimmiger Zufriedenheit zur Kenntnis, dass Wymmler das Wort »Kollege« bewusst vermieden hatte. Seine Genugtuung konnte jedoch ein anderes, bedeutend tiefer sitzendes Gefühl nicht verdrängen, das sich wie ein scharfkantiger Eisklumpen in seinen Gedärmen breitzumachen begann: die unangenehme Ahnung, dass sich in Kürze eine unerfreuliche, über fünfzehn Jahre zurückliegende Episode seiner Karriere wiederholen könnte, von der er gehofft hatte, nie wieder an sie denken zu müssen.
    Ein Fahrstuhl brachte sie hinauf in die Zweite, wo sich die Residenz von Lordprotektor Hindrych befand. Bereits seit seiner Ankunft in Barlyn war Hippolit gespannt darauf, den Herrscher persönlich kennenzulernen, und fragte sich, welche Charakterzüge einen Mann auszeichnen mussten, der einem so straff organisierten Staatsapparat vorstand. Seine Neugier wuchs, als er erfuhr, dass Hindrych Besucher, sofern es deren Zahl zuließ, am liebsten in seinen Privaträumen empfing.
    »Schafft Nähe zum Bürger«, verkündete Wymmler, ohne sein Tempo zu verlangsamen. »Der Lordprotektor ist einer von uns. Braucht keinen pompösen Thronsaal, keine protzigen Hallen voller Prunk und Tand. Sympathisch! Immerhin ist Platz hier unten Mangelware.«
    Vor ihnen, am Ende einer von Lynnert-Leuchten erhellten zweispurigen Passage, tauchte ein beeindruckendes Gebäude auf.
    Wie Wymmler gesagt hatte, war der Wohnsitz des Lordprotektors auf den ersten Blick nicht übermäßig groß. Er wies zwei Stockwerke auf, ein Luxus, der üblicherweise nur öffentlichen Behörden zustand, ansonsten entsprach die

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