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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Außenansicht im Großen und Ganzen dem Baustil, der Hippolit bereits während seines Besuchs bei Vizeminister Frietrych im Westviertel der Vierten begegnet war. Außergewöhnlich war das Domizil Hindrychs aus einem anderen Grund: Anders als alle Bauwerke, die Hippolit bisher unter der Erde gesehen hatte, war es nicht in die Wände einer mehr oder weniger geräumigen Halle gehauen worden, sondern stand frei im Raum, ein würfelförmiger Block mit Fenstern, Balkonen und einem treppenerhöhten Eingangsportal, wie man es auch droben, über der Erde hätte antreffen können.
    Im Näherkommen registrierte Hippolit, dass auch bei diesem Gebäude die Mauerfugen nur Zierrat waren – Lordprotektor Hindrychs Residenz war am Stück aus einem titanischen, fest mit dem Boden verwachsenen Felsblock gemeißelt worden. Von Balustraden im zweiten Stock hingen lange Banner mit dem Wappen des Lordprotektors herab, einem weißen Kreis auf rotem Grund, in dem das eckige, schwarze Hissvin prangte, eine Rune, die im Zwergenalphabet dem Anfangsbuchstaben von Hindrychs Namen entsprach.
    Rund um das Haus erstreckte sich ein weitläufiger Steingarten, geschmückt mit unzähligen Skulpturen, wie es unter den Zwergen Brauch war. Das Areal war weitläufig von einem mannshohen Gitterzaun umgeben, dessen einziger Zugang von zwei schmalen Bretterverschlägen flankiert wurde. Sechs Zwerge standen bei den Häuschen Wache, zwei von ihnen mit gewaltigen Barlyner Hirten an kurzen Leinen. Ihre Aufmachung unterschied sich in mehr als einer Hinsicht von der ihrer Zeitgenossen: Bodenlange nachtschwarze Ledermäntel, in der Mitte gegürtet und an den Schultern martialisch ausgepolstert, verliehen den kleinwüchsigen Gestalten eine fast athletische Statur; runde Stahlhelme verdeckten die obere Hälfte ihrer Gesichter. Auf dem Rücken trug jeder ein langes, an einem Lederriemen befestigtes Stahlrohr, fraglos mit Eisenschrot und Beschleunigern präparierte Tötungsvorrichtungen.
    Beim Näherkommen fiel ihm der grimmige Ausdruck in den bartschattigen Gesichtern der Wächter auf. Ihre Augen, soweit unter den tief sitzenden Rändern der Helme zu erkennen, waren kalt und leer wie die eines der uralten Knochenfische, die immerhungrig die Tiefen der großen Meere durchstreiften. Hippolit zweifelte nicht, dass diese Krieger, ohne mit der Wimper zu zucken, sein Leben oder das jedes beliebigen Zwerges auslöschen würden, sobald sie von höherer Stelle den Befehl dazu erhielten.
    Als Wymmler und er sich dem Tor näherten, rissen zwei der Wachmänner ihre Beschleunigerrohre in Anschlag. Die Barlyner Hirten schlugen an, Geifer und grüner Nasenrotz stoben durch die Luft. Barsch verlangte der Anführer des Trupps zu erfahren, aus welchem Grund man den gütigen Lordprotektor zu sprechen wünsche.
    »Wie können die Sie so behandeln?«, erkundigte sich Hippolit flüsternd. »Sind Sie nicht ihr Vorgesetzter?«
    »Leibwache untersteht allein dem Befehl des Lordprotektors, respektive dem von Meister Alprecht«, gab Wymmler ebenso leise zurück und zog eine an einer Kette befestigte Plakette aus einer Tasche seiner Uniform. »Haben Befehl, jeden zu arretieren, im Zweifel zu eliminieren, der Zutritt sucht und sich nicht legitimieren kann. Zwar nur rund drei Dutzend Männer, aber hervorragend ausgebildet. Zum Töten abgerichtet. Unumgänglich, will man eine so hochstehende Persönlichkeit schützen.«
    Dem letzten Satz fehlte es hörbar an Überzeugungskraft, doch bevor Hippolit dazu kam, Spekulationen über das Machtgefüge zwischen den Barlyner Ordnungskräften und den Sondereinsatztruppen des Zwergenherrschers anzustellen, hatte Wymmler seine Plakette vorgezeigt und verkündet, dass Meister Alprecht sie erwarte. Ohne sichtbare Gemütsregung traten die Wachmänner beiseite und ließen sie passieren.
    Hippolit folgte dem Polizeipräsidenten auf einem kurzen, marmorgefliesten Pfad durch den Garten. Er endete am Fuß einer Treppe, der zu einem aus massivem M’nir-Silber getriebenen Doppeltor hinaufführte. Auch hier standen Zwerge in schwarzen Mänteln parat, die sie nach einem kurzen Wortwechsel ebenfalls passieren ließen.
    Im Innern nahm ein livrierter Lakai mit pomadisiertem Bart sich ihrer an und führte sie mit wehenden Rockschößen in den zweiten Stock, wo er am Ende einer ausladenden Empore stehen blieb und den Besuchern mit unterwürfiger Verbeugung eine schnitzwerkverzierte Tür wies. Wymmler öffnete, und sie betraten Lordprotektor Hindrychs Allerheiligstes.
    Hippolit

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