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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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Männern?«
    Acland stieß die Faust in die offene Hand und drückte, bis die Knöchel weiß anliefen. »Da hat sie sich selbst gespielt. Der Durchschnittstyp hat nicht die Chuzpe, einen Superstar anzumachen. Sie hat sich ihren Kick damit geholt, den Typen klarzumachen, dass sie nicht Uma Thurman vor sich hatten - sondern ein absolut umwerfendes und noch dazu erreichbares Ebenbild.«
    »Waren Sie eifersüchtig?«
    »Jen hat Ihnen bestimmt erzählt, ich wär’s gewesen. Wie lang liegt diese E-Mail zurück? Hat sie Ihnen erzählt, ich wäre so besitzergreifend gewesen, dass ihr kaum Raum zum Atmen blieb?«
    »Waren Sie das?«
    Er gab einen Laut von sich, der wie ein Lachen klang. »Im Gegenteil, Doc. Ich war nicht besitzergreifend genug. Ich habe mich fast zu Tode gelangweilt, wenn sie ihre erbärmliche kleine Schau abzog. Auf die Rolle als Anbeter von Uma Thurmans Double war ich überhaupt nicht scharf.«
    »Worauf waren Sie denn scharf, Charles?«
    »Jedenfalls nicht auf das, was ich bekommen habe.« Er hauchte die Fensterscheibe an und sah zu, wie die Wassertröpfchen beinahe augenblicklich verdampften. »Ich bin auf eine Illusion hereingefallen.«
    »Wie meinen Sie das? Dass Sie Uma Thurman wollten und die Doppelgängerin eine Enttäuschung war?«
    Acland antwortete nicht.

    »War das Jens Fehler?«
    »Sagen Sie es mir.« Er drehte sich herum. »Es steht doch bestimmt alles in ihrer E-Mail.«
    Willis schob seine Unterlagen zusammen. »Sie haben nicht viel Vertrauen zu mir, wie, Charles?«
    »Ich weiß es nicht, Doc. Ich habe mich noch nicht entschieden. Wenn Sie fort sind, denke ich überhaupt nicht mehr an Sie - und wenn Sie hier sind, denke ich über meine Antworten nach.«
     
    Vielleicht lag es an der ersten Frühlingssonne, die die Menschen scharenweise ins Freie lockte, dass Willis im März auf die Gefahren der Entfremdung und des sozialen Rückzugs zu sprechen kam. Auf allen möglichen Wegen versuchte er, Acland aus der Reserve zu locken; aber zum Ziel führte nur die schonungslose Schilderung der Auswirkungen dieser Abkapselung. Die konnten so weit gehen, dass gewisse Dinge - im Allgemeinen Personen oder Themen, die Wut auslösten - zur fixen Idee wurden.
    »Sie machen mich nervös, Doc. Ich habe den Eindruck, Sie wollen mir etwas sagen, von dem Sie genau wissen, dass ich es nicht hören mag.«
    »Sie haben recht«, bestätigte Willis. »Ich möchte, dass Sie mehr unter Menschen gehen.«
    »Warum?«
    »Sie ziehen sich zu sehr zurück. Das tut Ihnen nicht gut. Seit dem Anschlag sind Menschen um Sie herum nicht verschwunden. Sie müssen auf andere zugehen.«
    Sie saßen im Sprechzimmer des Psychiaters, und Acland drehte sich ein wenig von Willis weg, so dass das Licht vom Fenster auf seine verwundete Gesichtshälfte fiel. Willis vermutete, dass er dies ganz bewusst machte. Das schlaffe, kraftlose Gewebe, die leere Augenhöhle und die schreckliche, dunkel verfärbte Wunde waren Beweis genug, dass dieses Gesicht für immer entstellt sein würde.

    »Möchten Sie darüber sprechen, warum Sie keinen Besuch und keinerlei Kontakt mit anderen Patienten haben wollen?«, fuhr er fort.
    »Sie meinen, mal abgesehen von meinem Aussehen?« Acland wandte sich dem Arzt wieder zu, um dessen Reaktion erkennen zu können. »Das ist doch das, was Sie interessiert, stimmt’s? Ob ich mich für ein Monster halte.«
    Willis zog eine Augenbraue hoch. »Ist es so?«
    »Natürlich. Meine beiden Gesichtshälften passen nicht zusammen - und ich erkenne keine von beiden wieder.«
    »Und deshalb schließen Sie sich in Ihrem Zimmer ein?«
    »Nein. Das tue ich, weil mir die Verwundungen der anderen nahegehen. Hier auf der Station ist ein junger Soldat, der beinahe verbrannt wäre, als sein Benzintank explodierte. Wenn er überlebt, wird er aussehen wie eine Schildkröte - und sich auch so bewegen. Er weiß es, ich weiß es. So einem Menschen gegenüber finde ich keine Worte.«
    Willis betrachtete ihn einen Moment. »Wie sind Sie vorher mit solchen Leuten umgegangen, Charles? Haben Sie so etwas einfach an sich abgleiten lassen - die Verantwortung anderen überlassen?«
    »An der Front ist es anders. Wenn’s einen Kameraden erwischt hat, braucht man ihm nur zu sagen, dass der Hubschrauber schon unterwegs ist. Meistens ist er sowieso bewusstlos und merkt erst, was passiert ist, wenn er im Krankenhaus aufwacht.«
    »Hm. Für Sie sind also die Langzeitschäden der Verwundung das Problem? Finden Sie, der junge Mann wäre besser tot?«
    Acland

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