Der Schatten des Folterers
seiner Jagdleidenschaft erlegen.
Ein dritter, daß der Autarch seine Verachtung für den Muni zeigen wollte, welcher stumm blieb, wo er doch Erleuchtung hätte verströmen und selbst mehr empfangen können. Daß er seine Geringschätzung nicht ausdrücken konnte, weder indem er ging, wenn sich kein Weggefährte anbot, da Einsamkeit dem Weisen teuer ist; noch als die Krieger vorüberzogen oder der, Kaufmann mit seinem Schatz oder die Frau, denn Unerleuchtete streben nach solchen Dingen, und der Muni hätte ihn nur für einen mehr davon gehalten.
Und ein vierter, daß der Autarch den Hund begleitete, weil er allein des Weges kam, während die Soldaten andere Soldaten, der Kaufmann sein Maultier und das Maultier den Kaufmann und die Dame schließlich ihre Eunuchen hatte, der Muni aber nicht aufbrach.
Doch warum lachte Ymar? Wer kann das sagen? Folgte der Kaufmann den Soldaten, um ihr Beutegut zu erwerben? Folgte die Dame dem Kaufmann, um ihre Küsse und ihre Lenden feilzubieten? War der Hund ein zur Jagd tauglicher oder so ein kurzbeiniger, wie ihn Frauen sich halten, damit er belle, falls jemand sie im Schlafe kosen wollte? Wer könnte das sagen? Ymar ist tot, und diese seine Erinnerungen, die eine Weile im Blut seiner Nachfolger fortleben, sind längst ausgelöscht.
Wie auch mein Gedächtnis dereinst erlöschen wird. Dessen bin ich mir sicher: nicht eine der Erklärungen für Ymars Verhalten war richtig. Die Wahrheit, wie immer sie auch ausgesehen hat, ist einfacher und feinsinniger gewesen.
Von mir möchte man vielleicht wissen, wieso ich die Schwester des Ladenbesitzers als Gefährtin annahm – der ich mein Lebtag lang keine wahren Gefährten hatte. Und wer, der nur von der »Schwester des Ladenbesitzers« liest, könnte verstehen, daß ich bei ihr geblieben bin nach dem, was an dieser Stelle meiner eigenen Geschichte gleich geschähe? Gewiß keiner.
Ich habe gesagt, daß ich mein Verlangen nach ihr nicht erklären kann, und es stimmt. Ich liebte sie mit hungriger, verzweifelter Leidenschaft. Ich glaubte, wir beide könnten etwas so Gräßliches tun, daß die Welt, sähe sie uns, es unwiderstehlich fände.
Es bedarf nicht des Intellekts, um jene Gestalten zu schauen, die jenseits der Leere des Todes warten – jedes Kind ist sich ihrer bewußt, den in finsterer oder heller Glorie Leuchtenden, den in Macht, die älter als das Universum ist, Gehüllten. Sie sind der Stoff unserer frühesten Träume und unserer Visionen auf dem Sterbebett. Zurecht spüren wir, daß sie unser Leben lenken, und zurecht spüren wir auch, wie wenig wir ihnen bedeuten, den Schöpfern des Unvorstellbaren, den Kämpfern in Schlachten, die alles Seiende übersteigen.
Die Schwierigkeit liegt darin zu begreifen, daß wir selbst ebenbürtige Kräfte in uns bergen. Wir sagen: »Ich will« und »Ich will nicht« und halten uns (obschon wir tagtäglich dem Geheiß eines Prosaikers gehorchen) für unseren eigenen Herrn, wenn in Wahrheit unsere Herren nur schlafen. Wenn einer in uns erwacht, handeln wir wie vom Teufel geritten, obwohl der Reiter ein bisher unbekannter Teil von uns selbst ist. Ja, vielleicht ist das die Erklärung zur Geschichte von Ymar. Wer weiß?
Wie dem auch sei, ich ließ mir von der Schwester des Ladenbesitzers beim Mantelanziehen helfen. Man konnte ihn am Hals eng zusammenschnüren, und so getragen, war mein schwarzer darunter unsichtbar. Ferner konnte ich, ohne mich zu entblößen, vorne oder durch die seitlichen Schlitze hindurchgreifen. Ich löste Terminus Est vom Gehenk und trug es wie einen Stab, so lange ich in diesem Mantel ging, und weil die Scheide das Stichblatt größtenteils verdeckte und mit einer dunklen Eisenspitze versehen war, hielten es viele Leute, die mich sahen, tatsächlich für einen solchen.
Das war die einzige Zeit meines Lebens, daß ich die Tracht unserer Zunft unter einer Verkleidung verbarg. Wie man sagt, fühlt man sich stets ein wenig komisch darin, ob die Maske nun gelungen ist oder nicht, und ich kam mir mit dieser recht komisch vor. Und dennoch war es eigentlich gar keine Verkleidung. Diese weiten, altmodischen Mäntel stammten von Schäfern (die sie heute noch tragen) und wurden in jenen Tagen vom Militär übernommen, als es hier im kalten Süden zu Kämpfen gegen die Ascier kam. Von der Armee aus verbreiteten sie sich unter den Pilgern, die darin zweifellos ein Gewand fanden, das sich sehr praktisch in ein mehr oder weniger behagliches Zeltchen verwandeln ließ. Der Niedergang der
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