Der Schatten des Highlanders
als herumzusitzen und zu grübeln. Die Landschaft war herrlich, und sie saßen in Patricks Range Rover, von dem sie wusste, dass er sie nicht so schnell im Stich lassen würde. Außerdem trug sie einen Ring am Finger, den sie von einem Mann bekommen hatte, der sie liebte. Sogar die Sonne schien.
Das Leben war schön.
»Wohin fahren wir?«, fragte Madelyn. »Ich nehme an, du hast ein bestimmtes Ziel?«
Sunny schürzte die Lippen. »Ich will wirklich Wolle kaufen. Zufällig gibt es da nebenan auch noch einen Kräuterladen, in dem ich noch nie gewesen bin.« Sie hielt inne. »Ich dachte mir, er wäre einen Besuch wert.«
»Cameron wird das gar nicht gefallen«, sagte Madelyn in ihrem singenden Tonfall. »Du solltest eigentlich vor dem Kamin sitzen und auf ihn warten.«
Sunny warf ihr einen finsteren Blick zu. »Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß, oder? Und seit wann habt Ihr solche mittelalterlichen Ansichten, Lady Benmore?«
Madelyn lächelte. »Nach einer Weile färben die ab. Sprechen wir uns in einem Jahr wieder, dann sehen wir, ob sie nicht auch schon auf dich abgefärbt haben.«
»Das kann ich nur hoffen«, sagte Sunny ernsthaft. Sie holte tief Luft. »Aber ich glaube wirklich, dass wir sicher sind, Maddy. Sonst hätte ich dich und Hope nicht mitgenommen.«
»Ich weiß«, erwiderte Madelyn, streckte die Hand aus und drückte die von Sunny. »Es wird schon alles gut gehen.«
Sunny nickte, mehr zu ihrer eigenen Beruhigung als zu der ihrer Schwester. Die finsteren Gesellen, die Cameron nachstellten, waren in London, und nicht in Schottland. Sie und Madelyn wären an diesem Vormittag in Sicherheit.
Sie fuhr eine weitere halbe Stunde, dann ging sie vom Gas, als sie in das Dorf einfuhren. Sie hielt vor einem Laden, der ganz so aussah, als ob er Kräuter verkaufte, stieg aus und wartete, bis Madelyn Hope aus ihrem Kindersitz losgeschnallt hatte. Zusammen mit ihrer Schwester betrat sie das Geschäft, schloss die Augen und atmete tief ein.
Es roch besser als die Autoabgase in London, so viel stand fest.
Sie blickte sich um und zuckte zusammen, als sie hinter der Ladentheke einen Schatten hinter einem Vorhang verschwinden sah. Nun, das nannte sich hier also zuvorkommende Bedienung. Sie ging im Laden herum und hätte vor Überraschung fast aufgeschrien, als sie direkt neben sich jemand bemerkte, der nicht ihre Schwester war. Sie presste sich die Hand aufs Herz und rang nach Luft.
Die Frau schien direkt aus einem Märchen entsprungen. Einem unheimlichen Märchen. Ihr fehlten ein paar Vorderzähne, eine Warze prangte auf ihrer Nase und ihre Finger waren so knorrig, dass es geradezu ein Wunder war, dass sie sie überhaupt ausstrecken konnte. Sunny war sich ganz sicher, sie würde sofort einen mächtigen Zauberstab aus der Tasche ziehen und ihn über ihr und Madelyn schwenken.
»Was kann ich den Damen bringen?«, krächzte die Frau und streckte einen knochigen Finger aus, um Sunnys Haar zu berühren.
Sunny brachte ein Lächeln zustande. »Wir wollten uns nur ein bisschen umsehen.«
Die Frau runzelte missvergnügt die Stirn, dann murmelte sie etwas Unfreundliches und schlurfte in ihrem schwarzen Kleid wieder zu dem Vorhang hinüber. Sunny blickte ihr hinterher und dachte auf einmal an die letzte Hexe, die sie, ihrer Überzeugung nach, gesehen hatte. Es war jene Frau gewesen, die ihr an dem Abend, als Tavish Fergusson sie gefeuert hatte, vor dem Yogastudio begegnet war. Möglicherweise war sie ja mit der Alten hier verwandt, aber Sunny hatte keine Möglichkeit, das herauszufinden. Sie erschauerte und warf Madelyn einen vielsagenden Blick zu.
»Ich glaube, mir wird schwindelig«, flüsterte sie beunruhigt.
»Du steckst deine Nase zu oft in Dinge, die Hirngespinste auslösen«, sagte Madelyn beschwichtigend. »Oder vielleicht hast du ja auch nur eine schlechte Phase. So oder so, können wir jetzt gehen?«
»Ja, klar.« Der Ausflug war sowieso ein Reinfall gewesen. Keine neuen Hinweise, dafür furchterregende Ladenbesitzerinnen und weit und breit kein Bodyguard. Sie folgte ihrer Schwester nach draußen und zog die Tür hinter sich zu. »In diesem Laden wurde mir ganz unheimlich zumute.«
»Ich glaube zwar nicht an deine esoterischen Karmalehren, aber ich stimme dir zu. Es war unheimlich dort drin. Also gehen wir jetzt hinüber ins Wollgeschäft.«
»Bis du verrückt?«
Madelyn lachte. »Heute nicht. Schließ mir bitte die Autotür auf!«
Sunny erfüllte ihre Bitte. »Weißt du«, sagte sie gedehnt, »ich
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